Piëch wendet sich von VW ab
Streit Der Volkswagen-Patriarch denkt wohl über den Verkauf eines Großteils seiner Aktien an dem Konzern nach. Die Motive seines Handels geben Rätsel auf
Seine Nachfolger bei Volkswagen wollen nichts mehr mit dem einst Übermächtigen zu tun haben. Nun könnte Ferdinand Piëch die Konsequenzen ziehen – mit einem Ausstieg aus der einflussreichen Beteiligungsgesellschaft Porsche SE und damit aus VW. Der Unternehmer verhandelt über den Verkauf seiner Anteile an der Porsche SE, über die er bisher auch an VW beteiligt ist. Damit beginnt das Endspiel um die Macht in Wolfsburg und Stuttgart. „Der Rosenkrieg in den Eigentümerfamilien scheint in die Endphase zu gehen“, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel. „Das war in den vergangenen Jahren ein Abschied auf Raten – am Schluss ein Abgang mit lautem Knall“, ergänzt sein Kollege Willi Diez. Lange Zeit stellte Piëch das Machtzentrum bei VW dar. Piëch war Audi-Chef, VW-Chef, dann Aufsichtsratsvorsitzender. Er baute das VolkswagenImperium zum heutigen Mehrmarken-Konzern aus. Ohne den „Alten“ging nichts, von seinem Wohnsitz Salzburg aus führte er VW, lange Jahre zusammen mit seinem Ziehsohn Martin Winterkorn. Gestandene Manager fürchteten sich vor Piëch, dem autoritären Chef, der nicht lange fackelte. Zugleich war der Respekt vor ihm groß.
Inzwischen scheint es jedoch fast so, als ob Piëch in Wolfsburg zur „Persona non grata“geworden ist, zur unerwünschten Figur. Vorstandschef Matthias Müller, einst ein enger Vertrauter Winterkorns, sagte erst kürzlich: „Ich stehe nicht in Kontakt mit Piëch.“Cousin Wolfgang Porsche rückte zumindest zwischen den Zeilen von Piëch ab. Stephan Weil, VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident, warf dem „Alten“gar vor, „Fake News“zu verbreiten. Und auch der Betriebsrat, früher lange ein enger Verbündeter, ist auf ihn alles andere als gut zu sprechen.
Was war passiert? Rückblick: Frühjahr 2015. Bei VW scheint alles in Ordnung zu sein, im Vorjahr gab es Rekorde bei Ergebnis und Umsatz. Hinter den Kulissen aber braut sich bereits das Unheil zusammen, das den erfolgsverwöhnten Konzern Monate später aus der Bahn werfen wird: In den USA gibt es Probleme mit erhöhten Abgaswerten.
Im März 2015 spricht Piëch auf dem Genfer Autosalon mit dem damaligen Vorstandschef Winterkorn. Er will auf die Probleme hingewiesen haben, auf mögliche Manipula- tionen – und auch den innersten Machtzirkel bei VW, das Präsidium des Aufsichtsrats mit Leuten wie Weil und Osterloh, heißt es in Berichten. Die Kontrolleure weisen diese Anschuldigungen scharf zurück. Der Vorstand prüft Schadenersatzansprüche gegen Piëch.
Dann, im April 2015, folgt das mittlerweile legendäre Zitat Piëchs: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“Es beginnt ein beispielloser Machtkampf. Eine Allianz aus Land, Betriebsrat und Wolfgang Porsche stützt am Ende – zur Überraschung vieler – Winterkorn. Piëch tritt als Aufsichtsratsvorsitzender zurück. Seitdem ranken sich die Spekulationen über Piëchs Motive. Die gängigste: Piëch wollte seine 19 Jahre jüngere Ehefrau Ursula in einer Art dynastischer Erbfolge als Nachfolgerin an der Spitze des Aufsichtsrats durchsetzen, Winterkorn – im späteren Jahresverlauf 2015 über den Abgas-Skandal gestürzt – jedoch wollte selbst diesen zentralen Posten. Aber Genaues weiß man nicht, schriftliche Belege darüber soll es nicht geben. Piëch selbst hat sich seit fast zwei Jahren nicht mehr öffentlich geäußert, Interview-Anfragen sind zwecklos. Dennoch zieht er hinter den Kulissen noch die Fäden, wie ein Phantom. Noch ist Piëch Miteigentümer der Porsche SE und damit von VW. Diese Machtarchitektur ist wesentlich von ihm gezimmert worden, als Ergebnis des Übernahmekampfes zwischen der Porsche AG und VW.
Einen Posten hat Piëch noch: Er sitzt im Aufsichtsrat der Porsche SE. Aber angeblich drängen ihn Familienmitglieder, auch diesen Posten aufzugeben. War dies der Stein des Anstoßes dafür, dass er nun über den Verkauf seiner milliardenschweren Beteiligung verhandelt? Aus seinem Umfeld ist zu hören, der frühere VW-Boss verfolge die Entwicklung im Konzern ganz genau. Er sei direkt und geradlinig, aber auch stur und nachtragend. Scheinbar hat es Piëch nicht verwunden, dass er als Aufsichtsratschef zurücktreten musste. Dabei ist schon seit längerer Zeit ein Generationswechsel im Gange bei den Familien Porsche und Piëch. Dieser könnte nun wesentlich beschleunigt werden, wenn der Patriarch seine Anteile verkauft und andere Familienmitglieder das Aktienpaket wohl übernehmen werden. Die große Frage lautet hier: Kauft die Porsche-Familie Piëchs Anteile?