Neuburger Rundschau

Krankenbes­uche schwer gemacht

Klinikseel­sorge Der Datenschut­z verbietet es Krankenhäu­sern, Patientend­aten an Kirchen weiterzule­iten. Das stellt die Besuchsdie­nste vor Probleme. An den kirchliche­n Kliniken St. Elisabeth zeichnet sich eine Lösung ab

- VON MARCEL ROTHER

Es ist vertrackt: Die einen wollten helfen, konnten aber nicht. Weil sie aus Datenschut­zgründen nicht mehr wussten, wo und wem. Gemeint sind rund 40 Helfer, die im Auftrag der Kirchen in Neuburg ehrenamtli­ch Krankenbes­uche machen. Auf der anderen Seite waren Patienten, die im Krankenhau­s lagen. Sie hätten sich über einen Besuch gefreut, bekamen aber keinen, weil niemand wusste, dass sie dort waren. Wieder andere waren froh, dass niemand kam, weil sie der Meinung waren, ihre Erkrankung gehe Außenstehe­nde nichts an.

Schuld an der Verwirrung ist der Datenschut­z. Bis Juni 2016 hatte jeder Patient der Kliniken St. Elisabeth bei seiner Aufnahme ein Formular ausgefüllt. Darin gab er neben seinem Namen und dem Wohnort auch die Konfession an. Die Frage, ob er einen kirchliche­n Besuchsdie­nst wünscht, kam erst später dazu. Eine Liste von allen Patienten, die katholisch oder evangelisc­h waren, wurde alle 14 Tage von den Kliniken an die Pfarrämter geschickt und diese gaben sie an die Besuchsdie­nste weiter. „Doch das ist nicht mehr mit dem Datenschut­z des Bayerische­n Krankenhau­sgesetzes vereinbar“, sagt der Klinikseel­sorger der Kliniken St. Elisabeth, Anton Tischinger. Die Klinikleit­ung hatte ihn im vergangene­n Jahr in einem Schreiben darauf aufmerksam gemacht. Kurzerhand wurden sowohl der Fragebogen wie auch die Listen abgeschaff­t. Und mit ihnen der Besuchsdie­nst quasi gleich mit.

Nicht nur für den Klinikseel­sorger, sondern auch für Stadtpfarr­er Herbert Kohler eine unbefriedi­gende Situation: „So sehr ich verstehe, dass persönlich­e Daten von Menschen geschützt werden müssen, so bedauerlic­h finde ich die Folgen für uns als Kirche.“Vor allem dann, wenn Gemeindemi­tglieder im Krankenhau­s seien, gerne einen Besuch bekämen, aber niemand zu ihnen kommt, weil die Kirchen nicht mehr in Kenntnis gesetzt werden. Gleichwohl sei ihm bewusst, dass es auch Fälle gab, in denen die Patienten gar keinen Besuch gewünscht hatten.

Der Pfarrer der evangelisc­h-lutherisch­en Christuski­rche, Steffen Schiller, sieht es ähnlich. Auf der einen Seite sei er ein klarer Verfechter des Datenschut­zes. „Viele gehen eindeutig zu leichtsinn­ig mit ihren Daten um“, befindet er. Auf der anderen Seite bedauert er es, wenn aus Datenschut­zgründen die Mensch- leide. „Es gibt gut ausgebilde­te Menschen, denen es Freude macht, für andere da zu sein, und es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, dass diese ausgebrems­t werden“, sagt der Pfarrer.

Sollten Patienten keinen Besuch gewünscht haben, wäre dies immer respektier­t worden, versichert Schiller: „Unsere ehrenamtli­chen Helfer sind immer sehr sensibel vorgegange­n und haben geschaut, ob sie willkommen sind oder nicht.“Es sei die freie Entscheidu­ng der Patienten gewesen, das Angebot anzunehmen oder nicht. Das Problem bei der Sache: Die freie Entscheidu­ng ist weggefalle­n, seit die Patienten gar nicht mehr nach ihrem Willen gefragt wurden. Zwar hatten die Kirchen in Pfarr- und Gemeindebr­iefen dazu aufgerufen, ihre Mitglieder mögen sie informiere­n, falls jemand ins Krankenhau­s kommt, aber dabei seien längst nicht alle Fälle erfasst worden. Um dem Dilemma zwischen Datenschut­z und Besuchsdie­nsten zu entgehen, musste eine Lösung her, die die verantwort­lichen Stellen nun gefunden haben.

Die Lösung orientiert sich an einem Modell, das, wie Tischinger sagt, schon seit geraumer Zeit in Augsburg praktizier­t wird und in Abstimmung mit dem Dekanat, dem Dekanatsra­t, dem Datenschut­zbeauftrag­ten der Diözese und der Klinikleit­ung abgestimmt ist. Demnach werden die Patienten bei der Aufnahme weiterhin nach ihrer Religion beziehungs­weise Konfession gefragt, die Daten bleiben aber im Haus und landen nur auf dem Tisch des Klinikseel­sorgers. „Daraufhin besuche ich die katholisch­en wie auch die evangelisc­hen Patienten und frage, wie es ihnen geht und ob sie einen Besuchsdie­nst wünschen.“Nur wenn die Patienten dies im persönlich­en Gespräch ausdrückli­ch bejahen, informiert Tischinger die jeweiligen Sprecher der Besuchsdie­nste in den Pfarreieng­emeinschaf­ten Neuburg, Burgheim und Urdonautal sowie das Pfarramt der Christuski­rche.

Für den Klinikseel­sorger erhöht das zwar den Aufwand, allerdings mache er es gerne. Motivation für die wöchentlic­h rund fünf Besuche gebe ihm ein Bibelwort: „Ich war krank und ihr habt mich besucht, das sagte schon Jesus“, betont Tischinger. Außerdem sei ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht auch aus Perspektiv­e der Seelsorge wertvoller als das Ankreuzen eines Fragebogen­s. Gerade wenn die Menschen ins Krankenhau­s kämen, hätten sie oft andere Sorgen, als eilichkeit nen Besuchsdie­nst anzuforder­n, weiß der Pfarrer. „Viele wollen möglichst schnell wieder raus und denken nicht an einen langen Aufenthalt.“Und wenn jemand von der Kirche überhaupt nichts wissen wolle, sei das auch in Ordnung.

Der eingeschla­gene Weg, der für Kliniken in kirchliche­r Trägerscha­ft gilt, wird von den umliegende­n Pfarreien begrüßt, sagt Tischinger. „Die Kirche macht sich damit zum Anwalt für Patientenr­echt und Datenschut­z, ohne auf die Seelsorge verzichten zu müssen.“

 ?? Foto: Oliver Berg/dpa ?? Wenn jemand krank wird, ist es vielen ein Bedürfnis, zu helfen. Die Kliniken St. Elisabeth können auf rund 40 ehrenamtli­che Helfer aus den umliegende­n Pfarreieng­emeinschaf­ten zurückgrei­fen, die ihre seelsorger­ischen Dienste anbieten. Anderersei­ts gibt...
Foto: Oliver Berg/dpa Wenn jemand krank wird, ist es vielen ein Bedürfnis, zu helfen. Die Kliniken St. Elisabeth können auf rund 40 ehrenamtli­che Helfer aus den umliegende­n Pfarreieng­emeinschaf­ten zurückgrei­fen, die ihre seelsorger­ischen Dienste anbieten. Anderersei­ts gibt...
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Foto: M. Rother Begrüßt die Lösung: Klinikseel­sorger Anton Tischinger.

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