Krankenbesuche schwer gemacht
Klinikseelsorge Der Datenschutz verbietet es Krankenhäusern, Patientendaten an Kirchen weiterzuleiten. Das stellt die Besuchsdienste vor Probleme. An den kirchlichen Kliniken St. Elisabeth zeichnet sich eine Lösung ab
Es ist vertrackt: Die einen wollten helfen, konnten aber nicht. Weil sie aus Datenschutzgründen nicht mehr wussten, wo und wem. Gemeint sind rund 40 Helfer, die im Auftrag der Kirchen in Neuburg ehrenamtlich Krankenbesuche machen. Auf der anderen Seite waren Patienten, die im Krankenhaus lagen. Sie hätten sich über einen Besuch gefreut, bekamen aber keinen, weil niemand wusste, dass sie dort waren. Wieder andere waren froh, dass niemand kam, weil sie der Meinung waren, ihre Erkrankung gehe Außenstehende nichts an.
Schuld an der Verwirrung ist der Datenschutz. Bis Juni 2016 hatte jeder Patient der Kliniken St. Elisabeth bei seiner Aufnahme ein Formular ausgefüllt. Darin gab er neben seinem Namen und dem Wohnort auch die Konfession an. Die Frage, ob er einen kirchlichen Besuchsdienst wünscht, kam erst später dazu. Eine Liste von allen Patienten, die katholisch oder evangelisch waren, wurde alle 14 Tage von den Kliniken an die Pfarrämter geschickt und diese gaben sie an die Besuchsdienste weiter. „Doch das ist nicht mehr mit dem Datenschutz des Bayerischen Krankenhausgesetzes vereinbar“, sagt der Klinikseelsorger der Kliniken St. Elisabeth, Anton Tischinger. Die Klinikleitung hatte ihn im vergangenen Jahr in einem Schreiben darauf aufmerksam gemacht. Kurzerhand wurden sowohl der Fragebogen wie auch die Listen abgeschafft. Und mit ihnen der Besuchsdienst quasi gleich mit.
Nicht nur für den Klinikseelsorger, sondern auch für Stadtpfarrer Herbert Kohler eine unbefriedigende Situation: „So sehr ich verstehe, dass persönliche Daten von Menschen geschützt werden müssen, so bedauerlich finde ich die Folgen für uns als Kirche.“Vor allem dann, wenn Gemeindemitglieder im Krankenhaus seien, gerne einen Besuch bekämen, aber niemand zu ihnen kommt, weil die Kirchen nicht mehr in Kenntnis gesetzt werden. Gleichwohl sei ihm bewusst, dass es auch Fälle gab, in denen die Patienten gar keinen Besuch gewünscht hatten.
Der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Christuskirche, Steffen Schiller, sieht es ähnlich. Auf der einen Seite sei er ein klarer Verfechter des Datenschutzes. „Viele gehen eindeutig zu leichtsinnig mit ihren Daten um“, befindet er. Auf der anderen Seite bedauert er es, wenn aus Datenschutzgründen die Mensch- leide. „Es gibt gut ausgebildete Menschen, denen es Freude macht, für andere da zu sein, und es stimmt mich traurig, wenn ich sehe, dass diese ausgebremst werden“, sagt der Pfarrer.
Sollten Patienten keinen Besuch gewünscht haben, wäre dies immer respektiert worden, versichert Schiller: „Unsere ehrenamtlichen Helfer sind immer sehr sensibel vorgegangen und haben geschaut, ob sie willkommen sind oder nicht.“Es sei die freie Entscheidung der Patienten gewesen, das Angebot anzunehmen oder nicht. Das Problem bei der Sache: Die freie Entscheidung ist weggefallen, seit die Patienten gar nicht mehr nach ihrem Willen gefragt wurden. Zwar hatten die Kirchen in Pfarr- und Gemeindebriefen dazu aufgerufen, ihre Mitglieder mögen sie informieren, falls jemand ins Krankenhaus kommt, aber dabei seien längst nicht alle Fälle erfasst worden. Um dem Dilemma zwischen Datenschutz und Besuchsdiensten zu entgehen, musste eine Lösung her, die die verantwortlichen Stellen nun gefunden haben.
Die Lösung orientiert sich an einem Modell, das, wie Tischinger sagt, schon seit geraumer Zeit in Augsburg praktiziert wird und in Abstimmung mit dem Dekanat, dem Dekanatsrat, dem Datenschutzbeauftragten der Diözese und der Klinikleitung abgestimmt ist. Demnach werden die Patienten bei der Aufnahme weiterhin nach ihrer Religion beziehungsweise Konfession gefragt, die Daten bleiben aber im Haus und landen nur auf dem Tisch des Klinikseelsorgers. „Daraufhin besuche ich die katholischen wie auch die evangelischen Patienten und frage, wie es ihnen geht und ob sie einen Besuchsdienst wünschen.“Nur wenn die Patienten dies im persönlichen Gespräch ausdrücklich bejahen, informiert Tischinger die jeweiligen Sprecher der Besuchsdienste in den Pfarreiengemeinschaften Neuburg, Burgheim und Urdonautal sowie das Pfarramt der Christuskirche.
Für den Klinikseelsorger erhöht das zwar den Aufwand, allerdings mache er es gerne. Motivation für die wöchentlich rund fünf Besuche gebe ihm ein Bibelwort: „Ich war krank und ihr habt mich besucht, das sagte schon Jesus“, betont Tischinger. Außerdem sei ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht auch aus Perspektive der Seelsorge wertvoller als das Ankreuzen eines Fragebogens. Gerade wenn die Menschen ins Krankenhaus kämen, hätten sie oft andere Sorgen, als eilichkeit nen Besuchsdienst anzufordern, weiß der Pfarrer. „Viele wollen möglichst schnell wieder raus und denken nicht an einen langen Aufenthalt.“Und wenn jemand von der Kirche überhaupt nichts wissen wolle, sei das auch in Ordnung.
Der eingeschlagene Weg, der für Kliniken in kirchlicher Trägerschaft gilt, wird von den umliegenden Pfarreien begrüßt, sagt Tischinger. „Die Kirche macht sich damit zum Anwalt für Patientenrecht und Datenschutz, ohne auf die Seelsorge verzichten zu müssen.“