Der weltgrößte Datenspeicher
Jeden Tag produzieren wir riesige Mengen neuer Daten. Wo sollen die je alle gespeichert werden? Forscher setzen jetzt auf das Vorbild Natur
Daten, Daten, Daten – das Leben im digitalen Zeitalter bringt vor allem eines hervor: Einen ständig anschwellenden Fluss neuer Informationspakete. Seit unser Leben immer mehr im Internet stattfindet, steigt auch die Menge an Daten, die irgendwo gespeichert werden muss. Fotos, Videos, Texte sind das eine. Für noch mehr Schwung sorgt das sogenannte Internet der Dinge: Wann immer einer der ungezählten Sensoren in Haushaltsgeräten oder Unterhaltungselektronik etwas misst und speichert, entstehen Daten. Sollte die Vision vom autonomen Fahren eines Tages Wirklichkeit werden, wird sich auch die Menge der anfallenden Daten noch einmal vervielfachen. Auch wenn nicht alle diese Daten dauerhaft gesichert werden: Experten gehen davon aus, dass bald der Zeitpunkt erreicht sein könnte, an dem wir mehr Daten generieren, als auf Festplatten oder Magnetbändern gesichert werden können. Alternativen sind dringend gesucht.
Industrie und Forschung haben seit einiger Zeit das uralte und unglaublich effektive Speichermedium der Natur im Visier: die DNS. In jeder lebendigen Zelle, auch in jeder Körperzelle eines Menschen, steckt die gesamte Erbinformation des Lebewesens. Beim Menschen besteht diese aus insgesamt rund 6,5 Milliarden Basenpaaren, die sich auf 46 Chromosome verteilen. Sie bilden zusammen einen etwa zwei Meter langen DNS-Doppelstrang, der im nur wenige Tausendstelmillimeter winzigen Zellkern Platz findet. Eine enorme Informationsdichte.
Zu welch komplexen Strukturen sich das auf Chromosomen verteilte Erbgut dafür faltet, verdeutlichen jüngst in der Fachzeitschrift Nature vorgestellte 3D-Aufnahmen. Sie zeigen die 20 Chromosomen einer Maus intakt im winzigen Kern einer Zelle zusammengeknüllt. Zum Vergleich: Ähnlich komplex wäre es, einen 20 Kilometer langen Faden in einem Tennisball unterzubringen.
Auch ein anderes Problem herkömmlicher Datenträger wäre mit der Speicherung mittels DNS behoben: die Haltbarkeit. DNS lässt sich problemlos hunderte bis tausende Jahre lagern. Das zeigen die Funde intakten Erbmaterials in Gräbern oder Lagerstätten längst ausgestorbener Tierarten wie dem Mammut. Auch die Herstellung beliebig vieler Kopien ist mit dem Erbmolekül kein Problem – DNS wird auch in der Natur über die sogenannte Polymerase-Ketten-Reaktion ständig vervielfältigt.
Dass sich die DNS prinzipiell dazu eignet, beliebige Daten zu speichern, haben Forscher schon vor Jahren bewiesen. Nun sind sie der Verwirklichung eines solchen Speichers ein Stück nähergekommen. Yaniv Erlich vom New York Genom Center und Dina Zielinski von der Columbia University in New York stellten ihre Arbeit im Fachmagazin Science vor. Die Forscher speicherten ein komplettes Betriebssystem, den französischen Stummfilm „Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat“von 1895, einen Amazon-Gutschein über 50 Dollar, ein Computervirus, einen Aufsatz des US-Mathematikers Claude Shannon von 1948 sowie eine der sogenannten Pioneer-Plaketten, die mit den Raumsonden „Pioneer 10“und „Pioneer 11“in den Weltraum geschickt wurden, in DNS.
Dazu übersetzten die Wissenschaftler den zugrunde liegenden digitalen Code in den biologischen Code – also in die vier Basen, aus denen die DNS aufgebaut ist. Die Datenpakete wurde dafür zunächst jeweils komprimiert und in kurze Reihen binärer Codes – also Nullen und Einsen – zerstückelt. Diese wurden dann den vier DNS-Bausteinen (A,G, C, T) zugeordnet.
In einem DNS-Synthese-Labor wurden entsprechend der Abfolgen Erbgutmoleküle zusammengebaut. Das sind lange Kettenmoleküle (Polymere) aus vier verschiedenen Bausteinen, den Nukleotiden. Jedes Nukleotid besteht aus einem Phosphat-Rest, einem Zucker und einer von vier Basen – Adenin, Thymin, Guanin und Cytosin, kurz A,T, G und C. Insgesamt erzeugten die Forscher 72 000 jeweils 200 Basen lange DNS-Stränge. Dann folgte der umgekehrte Weg: Die Abfolge der Erbgutbausteine wurde mit speziellen Geräten ausgelesen, über eine Software wieder in binären Code übersetzt und schließlich wieder zu den sechs Datenpaketen zusammengefügt. Zahl der am Ende des Prozesses vorhandenen Fehler: null.
Mit der Methode ließen sich 215 Petabyte Daten in nur einem Gramm DNA speichern – das Hundertfache der bei früheren Ansätzen erreichten Menge, schreiben die Forscher. Sie glauben, dass es sich um das Speichermedium mit der bisher höchsten Datendichte überhaupt handelt. Größtes Problem der Technik: die Kosten. Die DNSSynthese für zwei Megabyte Daten hat 7000 Dollar gekostet, das Auslesen weitere 2000 Dollar. Mit einem raschen Preisverfall bei der ErbgutHerstellung im Labor ist nach Experteneinschätzung nicht zu rechnen. Über eine Kombination aus weniger hochwertigen DNS-Molekülen und besseren Codierungsstrategien lasse sich der Preis aber dennoch drücken, ist Erlich überzeugt. (maz-, dpa)
Die Methode funktioniert gut. Sie hat nur einen Haken