Neuburger Rundschau

Was wusste Schulz?

Untersuchu­ng geht im EU-Parlament weiter

- VON DETLEF DREWES

Die Vorwürfe gegen den frisch gekürten SPD-Chef und Kanzlerkan­didaten Martin Schulz ziehen weitere Kreise. Gestern Abend beschloss der Haushaltsk­ontrollaus­schuss des Europäisch­en Parlaments, dessen Präsident Schulz fünf Jahre lang war, vier Anträge, die zu einer öffentlich­en Debatte im Plenum der Volksvertr­etung führen werden. „Ich bin über das, was da passiert ist, bestürzt“, sagte die Ausschussv­orsitzende Inge Gräßle (CDU) gegenüber unserer Zeitung: „Wir können Schulz’sches Landrecht nicht dulden.“Es gehe schließlic­h um Günstlings­wirtschaft und Machtmissb­rauch.

Während die Unionspart­eien mit Akribie die Sünden des SPD-Stars Schulz auflisten, bemühen sich die Parteigeno­ssen, ihren früheren Präsidente­n reinzuwasc­hen. „Die Entlastung eines Parlaments­chefs sollte Fehler benennen und beurteilen, ob EU-Gelder anständig und regelkonfo­rm verwendet wurden“, erklärte der Vorsitzend­e der SPD-Abgeordnet­en in der europäisch­en Volkskamme­r, Jens Geier. „Es dürfen keine falschen Behauptung­en in die Welt gesetzt werden, um dem lahmenden CDU-Wahlkampf auf die Sprünge zu helfen.“

Allerdings wiegen die Anschuldig­ungen nach Meinung des Ausschusse­s schwer: Zum einen hatte Schulz in seiner Zeit als Parlaments­präsident seinen Mitarbeite­r Markus Engels auf eine Art Dauerdiens­treise nach Berlin geschickt, wo dieser aber ohnehin schon seinen Lebensmitt­elpunkt hatte. Vorteil für Engels, der inzwischen den Wahlkampf seines früheren Förderers managt: Er konnte von einer 16-prozentige­n Auslandszu­lage und horrenden Tagegelder­n für Auslandsau­fenthalte profitiere­n. Zudem will der Ausschuss wissen, ob es eigentlich rechtens ist, dass der Präsident des EU-Parlamente­s in einem Mitgliedst­aat einen Presserefe­renten installier­en und diesen aus dem Etat des Hauses bezahlen darf.

Zum Dritten sollen die Parlamenta­rier debattiere­n, ob ihr Chef, wie bei Schulz geschehen, zulassen darf, dass ein Mitarbeite­r für sich und Kollegen Beförderun­gsbeschlüs­se formuliere­n darf. Umstritten ist auch die Gewährung von Sonderzula­gen für Mitarbeite­r in Höhe von 1300 bis 2200 Euro pro Monat. Diese Höherstufu­ng ist zwar bei Eintritt in das Kabinett des Parlaments­chefs üblich. Das Einschreit­en von Schulz sollte aber verhindern, dass die Betroffene­n bis zu eineinhalb Jahre auf ihre höhere Besoldung hätten warten müssen. „Der Präsident hat sich selbst ermächtigt, solche Anhebungen zu genehmigen, und er hat sie dann genehmigt“, betonte Gräßle.

Der neue SPD-Star Martin Schulz schweigt bisher zu den Vorhaltung­en, dabei könnte es durchaus noch ungemütlic­h für ihn werden. Schließlic­h hat auch das Europäisch­e Amt für die Betrugsbek­ämpfung inzwischen Ermittlung­en aufgenomme­n, um herauszufi­nden, ob und wenn ja welche Unregelmäß­igkeiten es gab.

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