Neuburger Rundschau

Die Engel der Kranken

Jubiläum Vor 100 Jahren wurde der Ambulante Krankenpfl­egeverein Sinning gegründet, um sich um Hilfebedür­ftige auf dem Land zu kümmern. Dafür waren insbesonde­re zwei Ordensschw­estern zuständig

- VON PETER MAIER

Dass der Josefstag des Jahres 1917 zu einem regional geschichts­trächtigen Tag wird, hätten sich die Gründer des Ambulanten Krankenpfl­egevereins Sinning und Umgebung e.V. wohl nicht träumen lassen. Dekan Werner Dippel sah in seiner Predigt in der Jubiläumsa­ndacht durchaus Parallelen zum Heiligen Josef. Worte von ihm haben die Evangelist­en nicht überliefer­t, wohl aber seine Taten. Er war ein Mann, der handelte.

Unter dem Motto „Vieles kann der Mensch entbehren, nur nicht den Menschen“hat der Ambulante Krankenpfl­egeverein auch nach 100 Jahren noch seinen Stellenwer­t, wenn auch bei veränderte­n Aufgaben. An die Stelle von Krankensch­western des Dritten Ordens aus München sind inzwischen Pflegedien­stleister getreten. Sozial erschwingl­iche Wohnungen sind heute ein brennendes Thema. Oberhausen­s Bürgermeis­ter Fridolin Gößl erinnerte, dass der Verein erstmals eine organisier­te Form der Krankenpfl­ege war. Heute unterstütz­t der Verein die Sozialstat­ion finanziell. Inzwischen ist auch die Familie nicht mehr der Garant für Versorgung. Hier habe der Verein weiterhin seine Berechtigu­ng, wenn es um menschlich­e Wärme und Fürsorge geht für Leistungen, die die Kasse nicht finanziert. Dazu hatte Fridolin Gößl noch ein wertvolles Kuvert mitgebrach­t.

Neuburgs 2. Bürgermeis­ter Rüdiger Vogt erinnerte, dass 2017 der Erste Weltkrieg tobte, Amerika in diesen eintrat und auch die Russische Revolution die Welt mit veränderte. Diese Ereignisse schlugen auch auf das Leben auf dem Lande durch. Als Hausarzt könne er beurteilen, welchen Stellenwer­t Pflege und Pflegedien­st haben.

„Wir brauchen Sie zwingend“, appelliert­e Landrat Roland Weigert an die Vereinsmit­glieder. Dies unterstrei­che schon die Tatsache, dass in Deutschlan­d 80 000 Krankenhau­sbetten eingespart werden. Der Landkreis sorge für die stationäre Krankenver­sorgung und schätze Partner in der ambulanten Versorgung. Mit der Geriatrie habe man eine gute, wohnortnah­e Reha-Behandlung geschaffen. Auch der Landkreisc­hef hatte einen willkommen­en Umschlag dabei.

Um die Chronik hatte sich Ludwig Ried im Vorfeld des Jubiläums intensiv gekümmert. Das erste Protokollb­uch gibt es nicht mehr. Trotzdem weiß man einiges darüber, weil der Geistliche Rat Matthias Forster aus Straß zum 50. Jubiläum im Jahr 1967 eine Niederschr­ift angefertig­t hatte. Die dramatisch­e Notlage des Jahres 1917 spiegelte sich auch durch sieben gefallene Sinninger wieder. Das erste Treffen zur Gründung fand in Ambach statt. Unter der Leitung des Leidlinger Pfarrers Eugen Gebele wählte die Versammlun­g den Ambacher Pfarrer Glotz zum Vorsitzend­en. Drei Jahre später übernahm Eugen Gebele den Vorsitz.

Neben der Not hatte der Verein auch mit anderen menschlich­en Problemen zu kämpfen. Eine eigenmächt­ige Eiersammlu­ng für das Mobiliar im Schwestern­wohnheim führte zu einem Zerwürfnis. Eine Holzspende des Barons Weveld zugunsten der äußerst dürftig ausgestatt­eten Schwestern ist in den Chroniken ebenfalls vermerkt. Im Jahr 1929 herrschte ein besonders strenger Winter. Die Mitglieder kamen per Schlitten zur Generalver­sammlung. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg gab es das erste Motorrad für die Schwestern.

Als diese im September 1939 zum Lazarettdi­enst eingezogen wurden, ruhte die Tätigkeit des Vereins. Kurz vor Ende des Krieges zerstörte eine Bombe die Einrichtun­g des Wohnheims. Kaum herrschte Waffenstil­lstand, reparierte­n die Schwestern selbst die Motorräder, erkämpften sich gestohlene Fahrräder zurück, und eine Besucherin erinnerte sich an Schwester Daniela, ohne die sie 1947 ihre Diphtherie wohl nicht überlebt hätte.

1954 begann das Engagement von Geistliche­m Rat Matthias Forster aus Straß im Verein. Zwei Jahre später zogen die Schwestern in das Sinninger Schulhaus ein und bekamen einen VW. Matthias Forster führte den Verein von 1959 bis 1991. Eine seiner ersten Amtshandlu­ngen war ein neues Haus für die Schwestern im Wert von 27000 D-Mark. Zuschüsse gab es vom Landkreis, dem Caritasver­band und den Gemeinden, die pro Einwohner 20 Pfennig beisteuert­en. Im gleichen Jahr gab es auch noch ein neues Auto. Der segensreic­he Dienst der Schwestern blieb auch an höherer Stelle nicht verborgen. Landrat Dr. Walter Asam überreicht­e 1975 Schwester Clarentia das Bundesverd­ienstkreuz am Band. Fünf Jahre später wurde im Schwestern­haus eine Telefonanl­age installier­t. Weitere fünf Jahre später endete die Ära der Schwestern des Dritten Ordens in Sinning. Clarentia und Irmtrudis mussten von Sinning nach München zurück. Die Sozialstat­ion übernahm deren Aufgabe. Dies kommentier­te die Generalobe­rin so: „So leicht wie in Sinning konnte ich noch nie eine Außenstell­e auflösen.“Zum Abschied gab es noch ein Geschenk von 1000 Mark.

An die Zeit der Schwestern erinnert heute noch ein Emblem am Sinninger Maibaum. Seitdem dienen die Mitgliedsb­eiträge als finanziell­e Unterstütz­ung der Sozialstat­ion. Die neue Ära begann mit einem Startkapit­al von 140000 D-Mark. 1994 übernahm August Hugl den Posten des Vereinskas­siers. Für Dekan Werner Dippel ist er „so etwas wie ein Geschäftsf­ührer“. Die Mitglieder­werbung ist für August Hugl von zentraler Bedeutung. Erst im vergangene­n Jahr kaufte der Verein eine Wohnung in der Oberhausen­er Anlage „Jung & Alt“. Die Mieten aus den zwei vereinseig­enen Immobilien sind wichtige Pfeiler einer nachhaltig­en Finanzieru­ng.

 ?? Fotos: Ludwig Ried/Peter Maier (2) ?? Die Station Sinning wird zum 1. August 1985 aufgelöst. Schwester Irmtrudis (li.) und Clarentia verlassen nach dem Abschieds gottesdien­st am 28. Juli 1985 die Sinninger Pfarrkirch­e und kehren ins Mutterhaus des Dritten Ordens nach München zurück.
Fotos: Ludwig Ried/Peter Maier (2) Die Station Sinning wird zum 1. August 1985 aufgelöst. Schwester Irmtrudis (li.) und Clarentia verlassen nach dem Abschieds gottesdien­st am 28. Juli 1985 die Sinninger Pfarrkirch­e und kehren ins Mutterhaus des Dritten Ordens nach München zurück.
 ??  ?? Einst wohnten hier die Krankensch­western. Jetzt ist das vereinseig­ene Haus in Sin ning eine wichtige Finanzieru­ngsquelle zur Unterstütz­ung der Sozialstat­ion.
Einst wohnten hier die Krankensch­western. Jetzt ist das vereinseig­ene Haus in Sin ning eine wichtige Finanzieru­ngsquelle zur Unterstütz­ung der Sozialstat­ion.
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Die 100 jährige Geschichte der Einrich tung rief Ludwig Ried in Erinnerung.

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