Griechenland doppelt unter Druck
Europa Es kommen wieder mehr Flüchtlinge über die Ägäis, zugleich soll Athen mehr Migranten zurücknehmen. Da kommt Hilfe aus Berlin
Die Botschaft aus Brüssel hieß gestern: Die EU-Kommission hält daran fest, dass Flüchtlinge im Rahmen des Dublin-Systems aus Deutschland und anderen Staaten nach Griechenland zurückgeschickt werden können. Aus Athen wiederum signalisierte Außenminister Nikos Kotzias via Interview: „Ich sehe nicht, dass Griechenland die Kapazitäten und die finanziellen Mittel hat, Flüchtlinge aufzunehmen, die aus den nördlichen EU-Ländern zurückgeschickt werden“, sagte er der Welt.
Mitten in diese Gemengelage reiste gestern der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zum Antrittsbesuch bei seinem griechischen Kollegen. Er hatte auch etwas im Gepäck: Angesichts wieder steigender Flüchtlingszahlen in der Ägäis, über die er sich besorgt zeigte, stellte er Griechenland weitere Hilfen in Aussicht: „Wir sind auch bereit, mehr zu tun“, sagte er.
In den vergangenen Tagen wurden wieder etwas mehr Flüchtlinge auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste gezählt. Die griechischen Behörden führen das auf das gute Wetter zurück. Es gibt aber auch Befürchtungen, dass die Türkei das Grenzregime wieder lockern könnte. Gabriel versuchte zu beschwichtigen: „Wir glauben, dass das Interesse der Türkei an der Verabredung durchaus groß ist.“Griechenland ist das EU-Land, für das der vor einem Jahr abgeschlossene Flüchtlingspakt mit der Türkei die größte Bedeutung hat.
Der Welt sagte Kotzias: „Eine neue Flüchtlingswelle in diesem Sommer würde uns überfordern.“Griechenland sei „am äußersten Limit seiner Möglichkeiten“. Die meisten europäischen Länder würden Griechenland viel zu wenige Flüchtlinge abnehmen.
Ein Schicksal, das Athen mit Italien teilt. Der österreichische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zum Beispiel wehrt sich weiterhin gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen. Österreich sei mit Blick auf die Zahl der Asylanträge im vergangenen Jahr deutlich stärker belastet gewesen als Italien. Nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat wurden in Österreich (8,7 Millionen Einwohner) rund 42 000 Anträge gestellt, in Italien (60,6 Millionen) waren es fast 123 000. Österreich ist nicht allein: Auch Ungarn und Polen gehören zu den Staaten, die Italien und Griechenland bislang keine Flüchtlinge abgenommen haben.
Und wenn jetzt vermehrt Flüchtlinge aus Nordeuropa nach Griechenland zurückgeschickt werden sollten? Dann hat Athen ein doppeltes Problem und zusätzlichen Druck von der EU: Die griechischen Behörden müssten „in jedem Fall individuelle Garantien geben, dass der Asylbewerber“angemessen untergebracht und behandelt werde, heißt es aus Brüssel. (dpa, epd, afp)
Ganz nüchtern betrachtet hätte Jeroen Dijsselbloem ahnen können, dass er dafür Ärger bekommen wird. In einem Interview redete der Euro-Gruppenchef über die Finanzhilfen für europäische Krisenstaaten. Solidarität sei ihm äußerst wichtig, sagte der Niederländer. Eh klar. Doch dann schob er noch eine kleine, giftige Einschränkung hinterher: „Wer sie einfordert, hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten.“Seitdem ist Schluss mit lustig. Denn die klammen südeuropäischen Euro-Partner fühlen sich direkt angesprochen und sind stocksauer.
Italiens Ex-Premier Matteo Renzi fordert den Rücktritt von „Mr. Euro“. Der portugiesische Ministerpräsident Antonio Costa empört sich über die „rassistischen, fremdenfeindlichen und sexistischen Äußerungen“des Niederländers. Die Spanier finden, Dijsselbloem habe sich zumindest „machohaft“verhalten. Und die müssen es wissen, schließlich ist „Macho“ein spanisches Wort. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, der in seinem früheren politischen Leben selbst hin und wieder rhetorisch danebenlangte, stellt sicherheitshalber klar: „Die Tatsache, dass Politiker auch mal Unsinn erzählen, ist noch kein Beweis dafür, dass die europäische Idee nicht funktioniert.“
Dijsselbloem selbst erklärte seinen Spruch inzwischen kleinlaut mit „holländischer Direktheit“. Und überhaupt habe er ja nur von sich persönlich geredet. Dass er zurücktreten soll, hält er im Übrigen für eine Schnapsidee.
Wie „Mr. Euro“mit wenigen Worten ganz Südeuropa gegen sich aufbrachte