Evangelische Freunde waren verpönt
Lutherjahr Nach dem Krieg war es alles andere als selbstverständlich, dass ein Katholik eine Protestantin heiratet. Über ihre Erfahrungen berichteten zahlreiche Gäste des Erzählcafés
Was 500 Jahre nach Luthers Reformation völlig normal ist, nämlich ein Miteinander der evangelischen und der katholischen Kirche, war nach den Kriegswirren ab 1945 wahrlich nicht immer so. Damals kamen in viele ursprünglich überwiegend katholische Regionen Bayerns zahlreiche evangelische Flüchtlinge aus dem Sudetenland. Neben den Nachkriegswirren hatten die Alteingesessenen und die Neubürger nun auch noch mit religiösen Ressentiments zu kämpfen. Damals wurden auch Ehen geschlossen, von denen ein Teil katholisch und der andere evangelisch war. Und genau diese Erfahrungen sollten am Donnerstagnachmittag in einem von Pfarrer Herbert Kohler und Pfarrer Steffen Schiller organisierten Erzählcafé in der Rennbahn im Mittelpunkt stehen.
Alleine die Anzahl der Teilnehmer übertraf schon die Erwartung der Organisatoren. „Als uns der Wirt fragte, mit wie vielen Gästen wir rechnen, hofften wir auf 30 und hatten kühne Träume in Richtung 50“, erzählte Kohler. Tatsächlich über 60 redefreudige Gäste. Viele hatten Geschichten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zu erzählen, die sie gerne mit allen Anwesenden teilten. Mitunter war es aus heutiger Sicht erschreckend, was so manches junge Paar, das heiraten wollte, über sich ergehen lassen musste: „Wir waren so tief katholisch erzogen, ich hätte meinen Mann wohl nicht geheiratet, hätte er nicht die Konfession gewechselt.“– „Als meine Mutter erfuhr, dass ich bei einem evangelischen Vikar zu Besuch war, war sie zutiefst empört.“– „Wir durften in der Schule nicht erzählen, dass wir evangelische Freunde haben, sonst wären wir unten durch gewesen.“So oder ähnlich lauteten die Erinnerungen.
Fremdartig, nicht richtig gläubig, kein richtiges Abendmahl. „Beide Seiten pflegten über die Jahrzehnte ihre Vorurteile“, berichtete Pfarrer Kohler und hatte auch eine eigene Geschichte aus seiner Heimatstadt Immenstadt, im tief katholischen Allgäu, mit dabei. „Nur der Zahnarzt war bei uns im Ort evangelisch, das war damals doppelt unangenehm“, schmunzel- te er. Auch Pfarrer Schiller brachte den Saal zum Lachen, als er von seinem ersten und versehentlichen Besuch eines katholischen Gottesdienstes erzählte. „Als sich am Schluss alle die Hände gaben, dachten wir, die Katholiken verabschieden sich nach der Messe mit Handschlag voneinander. Wir sagten ,Auf Wiedersehen’ und erhielten dafür ein ,Der Segen des Herrn sei mit Dir’.“
Ganz so lustig erlebte manches Paar die Hürden zwischen der katholischen und evangelischen Kirche damals nicht. So mussten sich Frauen von katholischen Männern schriftlich verpflichten, die Kinder katholisch zu erziehen. Diese Regel gibt es seit Ende der 1970er Jahre nicht mehr. Was es aber auch nicht gibt, ist eine ökumenische Trauung, wie Kohler und Schiller klarstellten. „Es wird auch heute entweder katholisch oder evangelisch geheiratet und der jeweils andere Pfarrer ist mit dabei.“
Sehr geändert habe sich die Ansicht beider Kirchen, was das Thema Mischehen angeht. Völlig normal, ohne große Formalitäten und sehr pragmatisch gingen die Kirkamen chen damit um. Und auch damals habe der eine oder andere Pfarrer das geltende Kirchenrecht für junge Paare zurechtgebogen. Entscheidend hierbei seien die Eltern gewesen, die oft strenge Ansichten vertraten, sowie die Priester vor Ort. Manche Geschichte sei auch damals schon gut ausgegangen, weil Eltern weltoffen auf den vermeintlich Andersgläubigen reagierten.
Bei Kaffee und Kuchen Erinnerungen teilen – das machte den Gästen und auch den beiden Neuburger Pfarrern sichtlich Spaß. Eigentlich schade, dass es sich um eine einmalige Veranstaltung im Lutherjahr handelt. Auslöser für das Erzählcafé seien die vielen Goldenen und Diamantenen Hochzeiten gewesen, die die beiden Seelsorger begleiten. Bei den Vorbereitungsgesprächen hörten sie die eine oder andere Geschichte. Heute undenkbar, welche Hürden früher oftmals genommen werden mussten. Und welchen Spießrutenlauf so manches Hochzeitspaar über sich ergehen lassen musste, nur um gemeinsam glücklich zu werden. „Gott sei Dank hat die Liebe oft die Oberhand behalten“, resümierte Kohler.