„Schon der Blick auf Grün hilft Kranken“
Interview Gartentherapie ist in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Leider, sagt Sabine Freifrau von Süsskind. Sie bietet Kurse in ihrem Park an und weiß um die heilende Kraft körperlicher Arbeit in der Natur. Warum sie sich gerade in Kliniken und Alt
Gartentherapie – was ist das eigentlich? Frau von Süsskind, Sie bieten in Ihrem Schloss im mittelfränkischen Dennenlohe Seminare an. Was machen Sie in so einem Kurs?
Sabine von Süsskind: Zunächst einmal muss ich sagen, Gartentherapie ist in Deutschland noch eine relativ neue Methode. Andere Länder wie Österreich oder Schweden sind uns da voraus. Das mag auch daran liegen, dass erst jetzt einzelne Krankenkassen überlegen, Gartentherapien zu bezuschussen. Hier geht es uns wie vielen homöopathischen Verfahren, die ebenfalls lange um eine Anerkennung kämpften. Hinzu kommt: Gartentherapeut war lange kein geschützter Begriff, jeder konnte sich so nennen.
Wie kamen Sie zur Gartentherapie?
von Süsskind: Ich habe ursprünglich Betriebswirtschaft studiert. Über Gartentherapie habe ich zum ersten Mal gelesen. Mein erster Impuls war, das wäre etwas für meinen Mann. Er hat auch BWL studiert und mit über 50 noch eine Gärtnerausbildung absolviert. Er fand aber, das passe besser zu mir, und so machte ich die zweijährige Ausbildung an der Hochschule für Agrarund Umweltpädagogik in Wien.
Noch einmal zur Anfangsfrage: Was ist Gartentherapie überhaupt?
von Süsskind: Es ist eine unterstützende Methode zur Heilung – sowohl bei körperlichen wie bei seelischen Erkrankungen. Denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass beispielsweise Patienten in einem Krankenhaus, die auf ein Fenster ins Grüne blicken, schneller gesund werden. Selbst eine Tapete, die eine Szene im Grünen zeigt, oder Wald haben eine positive Wirkung. Auch Klinikgärten sind daher so wichtig. In Deutschland werden sie allerdings oft leider vernachlässigt. Auch ist längst nachgewiesen, wie ein Spa- ziergang im Wald direkt den Körper beeinflusst, wie sich Blutdruck und Puls normalisieren, wie sich ein Gefühl der Ruhe ausbreitet.
Aber wie funktioniert das genau?
von Süsskind: Vieles muss noch exakt erforscht werden. Denn es sind sehr komplexe neurologische Vorgänge, die hier zusammenspielen. Bei der Wirkung der Bäume sind es ihre wertvollen ätherischen Öle, die auf den Menschen positiv wirken. Es werden Hormone ausgeschüttet, die ein Gefühl der Zufriedenheit stärken. Das ist messbar. Wir sind ja Teil der Natur. Können Sie konkret aus Ihrer Erfahrung mit Menschen berichten – wem hilft Gartentherapie und wie?
von Süsskind: Zu mir kam beispielsweise ein Mann, der sich ausgebrannt, erschöpft, leer fühlte. Zuerst dachte er, schönes Schloss, tolles Ambiente, hilft mir vielleicht. Das allein reicht aber noch nicht. Er begann, in den Park zu gehen und die Rosen zu schneiden. Allein. Ausschließlich. Er hat über Tage die Rosen geschnitten. Das hat ihm geholfen, runterzukommen, seiner Seele wieder das nötige Gleichgewicht zu geben. Natürlich sprechen wir vorher in einer Gartentherapie, welches Ziel der Einzelne sich setzt, was er erreichen will. Aber oft ist das gar nicht klar. Dann hat es sich als erfolgreich erwiesen, einfach raus zu gehen. Zum Beispiel sitzen manche auf dem Rasenmäher bei uns, mähen und ziehen weiter gleichmäßig ihre Runden, obwohl eigentlich schon alles gemäht ist – weil Mähen den Kopf so wunderbar frei macht.
Damit ist aber die Ursache, die zu dem Burnout führte, noch nicht behoben.
von Süsskind: Nein, natürlich nicht. Aber zuerst muss ich runterkommen, ich muss meinen Geist freibekommen, um vorhandene Probleme sachlich betrachten und Lösungen finden zu können.
Auch hat man bei der Gartenarbeit – etwa beim Mähen – immer das Gefühl, etwas Sinnvolles getan zu haben.
von Süsskind: Ein wichtiger Aspekt. Gartenarbeit stiftet Sinn. Und noch ein entscheidender Faktor: Ich übernehme Verantwortung. Das ist wichtig für Menschen. Die Verantwortung darf einen aber nicht überund nicht unterfordern. Deshalb kann Gartentherapie auch etwa bei Depressionen helfen. Die Menschen sehen oft keinen Grund mehr aufzustehen, weiterzumachen. In der Arbeit in und mit der Natur erleben sie zum einen, dass sie Teil eines Kreislaufes sind, der immer weitergeht. Vielleicht nicht so, wie sie sich das vorstellen, aber: es geht immer weiter. Und schon ein kleines Beet, das gedeihen soll, muss beispielsweise regelmäßig gegossen und gejätet werden. Hier braucht mich die Natur. Ich übernehme Verantwortung.
So ist es verständlich, dass Gartentherapie auch in der Altenpflege gute Erfolge zeigt.
von Süsskind: Gerade in der Arbeit mit Demenzkranken helfen Pflanzen. Viele der Patienten haben noch das Wissen, wie etwa Gemüse angebaut, wie Blumen gesät werden. So passiert es so gut wie nie, dass ein an Demenz erkrankter Mensch Blumen falsch herum einpflanzt. Das steckt im Menschen drin. Und wenn man mit ihnen Gemüse anbaut, werden sehr oft alte Erinnerungen wach, die allein beim Erzählen nicht kommen. Denn das haptische Erleben, die Bewegung, die Arbeit mit allen Sinnen ist stärker. Doch leider ist es hier wie bei den Krankenhäusern: Gartentherapie wird viel zu selten eingesetzt. Einmal in der Woche eine Stunde reicht nicht, damit sie nachhaltig Wirkung entfaltet.
Wie kann Gartentherapie bei körperlichen Problemen helfen?
von Süsskind: Auch da wurden schon Studien durchgeführt, die beeindrucken. So wurde beispielsweise mit einer Gruppe von Menschen, die Arthrose hatten, gearbeitet. Die Patienten klagten alle über Schmerzen in den Gelenken, hatten teils große Probleme, die Arme zu heben. Mit ihnen ging man Kirschen ernten. Eigentlich ein Unding. Aber die Arbeit in der Natur brachte viele dazu, dass sie sich einfach bewegten, ihre Arme wieder hoch brachten. Natürlich können hier nicht schnell ganze Bäume abgeerntet werden. Darum geht es nicht. Wichtig ist: Die körperliche Einschränkung war nicht mehr so stark spürbar wie vorher.
Dass die Natur positiv auf Menschen wirkt, ist nicht neu. Warum wird dann Gartentherapie so wenig eingesetzt?
von Süsskind: Die Medizin ist sehr oft noch eher auf die Krankheit ausgerichtet. Sie gehen zum Arzt und er fragt, wo sind die Schmerzen? Die werden dann in der Regel mit Medikamenten behandelt. Das ist oft einfacher, als der Sache auf den Grund zu gehen und alternative Methoden auszuprobieren – obwohl sie häufig sogar billiger wären. Auch wird leider noch allzu oft der Körper isoliert gesehen. Dabei ist längst erwiesen, wie entscheidend bei jeder Heilung die Psyche ist. Nicht umsonst hat Andreas Niepel, der Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Gartentherapie, auch sehr gute Erfolge auf der Intensivstation gemacht. Er brachte etwas Erde und ließ Patienten ein winziges Pflänzchen einsetzen – die Wirkung war fantastisch. Der Patient sieht, er kann etwas tun, damit etwas wächst.
Aber in vielen Stationen der Kliniken dürfen keine Blumen mitgebracht werden, schon gar keine Topfpflanzen.
von Süsskind: Dort wird natürlich auf Sterilität geachtet. Das ist ja auch wichtig. Aber wenn man sieht, wie groß die Erfolge von winzigen Pflanzaktionen sind, wäre schon zu überlegen, welche Wege es dafür gibt. Zumal auch bekannt ist: Patienten, die zu Hause einen Garten haben, der gepflegt werden muss, werden ganz oft schneller gesund als Menschen, die nichts haben, für das sie Verantwortung tragen. Denken Sie nur an Tiere. Sie leisten einen enormen Beitrag zur Heilung. Wer daheim einen Hund hat, der auf ihn wartet, wird in der Regel schneller gesund. Auch hier wäre ich dafür, dass bei längeren Krankenhausaufenthalten in einem Raum das Haustier kurz gesehen und gestreichelt werden darf. Das würde vielen Patienten sehr helfen.
„Mähen macht den Kopf so wunderbar frei.“ „Der Patient sieht, er kann etwas tun.“
Viele Menschen scheinen von sich aus zu merken, wie wichtig Grün für sie ist. Der Trend gerade in Städten zu kleinen Beeten und Gärten zeigt dies.
von Süsskind: Es tut sich momentan sehr viel. Viele Menschen spüren, dass die Macht der technischen Medien für sie nicht mehr gesund ist und ziehen sich bewusst ins Grüne zurück. Wunderbar finde ich auch, dass wieder alte Sorten von Gemüse und Blumen entdeckt werden. Städter sind hier besonders aktiv. Für die Menschen auf dem Land ist der Garten oft eine Selbstverständlichkeit. Auf dem Land droht der Garten aber oft in erster Line als Arbeit gesehen zu werden und nicht als Oase für Körper und Geist. Das ist auch schade. Interview: Daniela Hungbaur O Schlosspark Dennenlohe Am 1. April wird der Schlosspark Dennenlohe wieder eröffnet. Dort bietet das Ehepaar Robert und Sabine von Süsskind auch vie le Aktionen. Weitere Informationen im In ternet unter www.dennenlohe.de