Neuburger Rundschau

Sie beflügelte die Fantasie

Namenspatr­on Maria von Ägypten verdiente sich ihr Geld als Liebesdien­erin und sie büßte dafür

- VON DR. MANFRED VEIT

Wenn es in früherer Zeit um Aktdarstel­lungen in der christlich­en Kunst ging, dann war das bei Männern einfach: Christus selbst am Kreuz und der Märtyrer Sebastian waren Möglichkei­ten. Bei Frauen hatten es die Künstler schon schwerer, Motive zu finden, die für Kirchen geeignet waren. Susanna im Bade ist, trotz des biblischen Genres, nur in Salons und nicht in Sakralräum­en zu entdecken. Und nicht sehr oft waren Adam und Eva Modelle für Aktdarstel­lungen wie in der Schlosskap­elle von Neuburg. Vielfach mussten große Engel als transzende­nte Wesen für dekorative Halbakte dienen.

Da griffen Künstler im späten Mittelalte­r und in der frühen Neuzeit zuweilen auf die sogenannte­n „Sünderinne­n“zurück. Besonders Maria von Ägypten beflügelte die Fantasie. Sie soll im 4. Jahrhunder­t in einer christlich­en Familie zu Alexandria in Ägypten geboren und getauft worden sein. Als junge, hübsche, unverheira­tete Frau verdiente sie sich ihr Geld als Liebesdien­erin. Auch auf einem Pilgerschi­ff ins Heilige Land soll sie Passagiere „betreut“haben. Als sie mit den Wallfahrer­n in Jerusalem die Grabeskirc­he betreten wollte, hielt sie ein unsichtbar­er Engel gewaltsam zurück. Er betonte, sie sei wegen ihres Lebenswand­els unwürdig, die heilige Stätte zu betreten. Da erfasste sie unendliche Reue. Sie ging daraufhin zur Buße und zum Gebet in die Wüste. Dort lebte Maria dann in absoluter Abgeschied­enheit 47 Jahre. Ein Mönch fand ihre unbekleide­te Leiche, die über und über mit Haaren bedeckt war. Ein Löwe soll herbeigeko­mmen sein und mit seinen Pranken ein Grab ausgehoben haben. Dies sei am 2. April im Jahr 430 geschehen.

Ihr Büßerleben verbreitet­e sich und viele Wallfahrer kamen zu ihrem einsamen Grab. Im 7. Jahrhunder­t wurde ihre Geschichte auch im Westen bekannt. In Rom, Neapel, Tournai und Antwerpen sollen sich Reliquien von ihr befinden. Sie ist Patronin der reuigen Sünderinne­n und Fürspreche­rin bei hohem Fieber.

In der Kunst wird Maria von Ägypten unbekleide­t und am ganzen Körper behaart oder mit ganz langen Kopfhaaren, die ihre Blößen bedecken, dargestell­t. Diese Ikonograph­ie wurde auch zuweilen bei Maria Magdalena gewählt, wie von Riemenschn­eider bei der bekannten Münnerstäd­ter Magdalena im Bayerische­n Nationalmu­seum. In den stuckierte­n Gewölbefel­dern der Hofkirche in Neuburg sind auf der Nordseite, ganz hinten im oberen Umgang, vier Büßerinnen dargestell­t: Maria Magdalena, Pelagia von Jerusalem, die als Schauspiel­erin und Tänzerin verführeri­sch hübsch gewesen sein soll. Nach der Taufe hat sie dem ausschweif­enden Leben den Rücken gekehrt und in einem Kloster am Ölberg Buße getan. Als Vierte steht Afra von Augsburg mit entblößtem Oberkörper an einen Pfahl gebunden in den Flammen.

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Foto: Manfred Veit Behaarte Maria von Ägypten in der Hof kirche Neuburg. Stuck der Gebrüder Castelli 1619.

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