Ein Leben für den Sport
Rekord Xaver Miller und Heinrich Weide sind Ausnahmesportler. Zum 50. Mal erhalten sie das Deutsche Sportabzeichen in Gold, das ist im Landkreis einmalig. Was die Helden noch vorhaben
Zu Hause lag da immer dieses Heft seines Vaters. Es enthielt sauber dokumentierte sportliche Leistungen. Das Deutsche Sportabzeichen (DSA) hatte im Hause Miller einen großen Stellenwert. Xaver, sein Sohn, hatte mit Sport allerdings nichts am Hut. Doch die Erinnerung an dieses Heft brannte sich in sein Gedächtnis ein. Und als dann eines Tages ein Artikel in der Zeitung über das DSA erschien, bewegte sich etwas in ihm. Er schnitt den Bericht aus, ging anschließend ins Schwimmbad und schaffte die 300 Meter in der geforderten Zeit. Auf dem Sportplatz kam die große Ernüchterung. Er war nicht fit genug. Nach monatelanger Fleißarbeit, ein richtiger Kraftakt für den damals 35-jährigen Xaver Miller, hatte er es geschafft: das Deutsche Sportabzeichen in Gold. Und es sollte nicht sein letztes werden. Er und sein neun Jahre jüngerer Gefährte Hein- Weide wollten es gleich 50 Mal wissen. Vergangenes Jahr stellten beide damit einen Rekord im Landkreis Neuburg auf. Für ihre Leistung erhielten sie nun das 50. Deutsche Sportabzeichen sowie ein Eichenblatt in Gold, eine Ehrengabe des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Beim DSA denken viele mit Sicherheit zunächst an ihre Schulzeit zurück. Junge Menschen, die für sportlichen Erfolg unter anderem radeln, sprinten und so weit wie möglich springen. Und in der Tat: Drei Viertel der rund 800 000 Menschen in Deutschland, die jährlich das DSA ablegen, sind Kinder und Jugendliche. Der 84-jährige Xaver Miller und der 75-jährige Heinrich Weide gehören aber zu denen, die auch noch fernab ihrer Schulzeit die sportliche Herausforderung suchen.
Trotz ihres Alters sind beide jung geblieben. Es zwickt zwar hier und dort. Mal macht die Hüfte, mal das Knie Probleme. Doch ans Aufhören denkt Heinrich Weide noch lange nicht. Er wird sich in ein bis zwei Monaten wieder intensiv auf Sportabzeichen Nummer 51 vorbereiten.
Für den 84-jährigen Miller ist mit dem Jubiläum Schluss. „Ich muss mir im Leben gar nichts vorwerfen“, sagt der Rentner. „Ich habe nicht nur für den Sport, sondern auch für meine Familie und Freunde gelebt. Ich muss nicht mehr die Disziplin für ein weiteres Sportabzeichen aufbringen.“Beim Sport bleibe er aber trotzdem. So- wohl Miller als auch Weide gehen einmal wöchentlich zur Gymnastik der Jedermann-Gruppe beim TSV Neuburg. Wenn die Gesundheit mitmacht, dann schwimmt der 84-Jährige am liebsten seine 1000 Meter. Sein Kollege hingegen geht in den Wald. „Nachdem ich nicht mehr laufen konnte, entdeckte ich Nordic-Walking für mich“, sagt Weide.
Sport ist immer ein zentraler Punkt im Leben der beiden Rentner gewesen. Ansonsten sind die Männer verschieden. Neun Jahre trennen sie. Miller ist Neuburger durch und durch, in Rödenhof aufgewachsen. Sein Leben lang handelte er mit Vieh. Heute steht er seinem Sohn beratend zur Seite, der in die Fußstapfen des Vaters getreten ist. Nur die Begeisterung für das Sportabzeichen konnte er seinen drei Kindern nicht weitergeben.
Neben dem Abzeichen – dafür haben die Athleten immer ein Kalenderjahr Zeit – probierte der ehemalige Viehhändler viele anderen Sportarten aus. Dreimal lief er den Marathon, unter anderem in New York und Athen. Auch Windsurfen, Skifahren und insbesondere das Fahrradfahren haben es ihm angetan. Letzteres brachte ihn schon an die entlegensten Orte in Deutschland. „Ich war an jedem Fluss in Deutschland“, erinnert sich der 84-Jährige sichtlich stolz. Das ganze Land habe er auf diese Weise durchquert. Er radelte auf Sylt, fuhr von Flensburg nach Mitrich tenwald. Auch ins Ausland zog es den Extremsportler. Schottland, Irland und Österreich habe er durch sein Hobby entdeckt.
Viel wichtiger als die zurückgelegten Kilometer – egal ob per Rad, auf Ski oder zu Fuß – sind die Freunde und die gelebte Kameradschaft. Das haben beide Sportler gemein. Heinrich Weide sagt: „Die Freundschaften, die ich durch den Sport geschlossen habe, sind so wichtig. Gerade im hohen Alter merke ich das.“Zusätzlich sporne der Wettkampf an. Wenn ein Abzeichen abgelegt wird, sei es nicht nur die Leistung einer Einzelperson.
Überhaupt prägten Gemeinschaft und Zusammenhalt das Leben des 75-Jährigen. Weide kommt ursprünglich aus Hessen. Im Dezember 1961 kam er durch die Bundeswehr nach Neuburg. Er fand hier seine große Liebe und auch die Erfüllung im Berufsleben. Bis er 1994 in Rente ging, war er Berufssoldat. Wenn er von seiner Zeit bei der Bundeswehr erzählt, wird seine Stimme heller, die Augen funkeln. „Wenn wir uns reihum für den Zapfenstreich aufstellten, bekam ich regelmäßig Gänsehaut“, sagt er.
Beim Geschwader war er technischer Prüfer, erzählt der Rentner weiter. Der Starfighter und das Phantom mussten stets seinem prüfenden Blick bestehen. Kameradschaft war das höchste Gut. Anders als Miller interessierte sich Weide schon sehr früh für den Sport. Mit 16 spielte er schon Fußball. Zum Handball und Volleyball kam er erst in Neuburg. „Unsere Vorgesetzten sahen es sehr gerne, wenn wir uns über das Soll hinaus sportlich betätigten“, sagt Weide. Und so machte der 75-Jährige das Sportabzeichen beim TSV. Zwar nicht durchgehend, aber immerhin 50 Mal.
Eine Leistung, die auch Landrat Roland Weigert würdigte: „Die beiden Herren haben eindeutig Vorbildcharakter.“Volker Eckhardt, BLSV-Sportabzeichenreferent und treuer Wegbegleiter, verfolgt den Weg der Ausnahmesportler seit 1978. Er treibe beide Jahr für Jahr an, so wie es in einer Gemeinschaft eben sei. Es müsse sich immer einer finden, der den Rest animiert. Im TSV wird Eckhardt auch Sportabzeichenpapst genannt. Er sagt: „Es ist eine Ehrensache, das DSA abzulegen. Und in der Wiederholung liegt die Würze.“
Wiederholung. Das war es auch, was Xaver Millers Vater einst reizte. Sein Heft, es ist mittlerweile vergilbt, zeugt dennoch von großen sportlichen Leistungen. Heute hält es sein Sohn stolz in den Händen. Die Rekorde seines Vaters hat er schon längst überboten.