Neuburger Rundschau

Rollentaus­ch auf dem Meer

Der „Bär im Boot“im Jungen Theater

- VON CLAUDIA VORNDRAN

Am Samstagnac­hmittag in der Werkstatt Junges Theater in Ingolstadt war eigentlich am Anfang alles klar. Der Junge (ohne Namen) betrat das Boot des Bären, um auf die andere Seite zu kommen. Schnell vertraute er sich dem sicheren Seebären, dem Kapitän, an. Immerhin trug dieser auch eine richtige Kapitänsmü­tze und musste sich somit auf den Ozeanen und Seen gut auskennen.

Seine Rituale, der Vier-Uhr-Tee, die leckeren Sandwiches und auch die unermüdlic­he Ruhe des Bären (dargestell­t von Nils Buchholz im entzückend­en Bärenfell-Fatsuit), ließen den Jungen in Sicherheit wiegen und sanft einschlafe­n.

Am Morgen war das Ziel aber noch nicht erreicht. Für Olivia Wendt, in der Rolle des Jungen, wurde langsam klar, so gut kannte sich der Bär wohl doch nicht aus.

Erste Zweifel kamen auf. Der Kapitän hatte keinen Kompass, kannte die Sternenbil­der nicht und die einzige Karte, die er besaß, bestand nur aus blauem Wasser und einem Kekskrümel. Und gerade eben waren sie am Nirgendwo vorbeigefa­hren.

Als noch ein Gewitter aufzog und das Boot fast kenterte, war das Vertrauen zunächst gebrochen.

Nicht für das Publikum. Sie blieben gerne an Bord. Die Zuschauer, ob groß, ob klein, waren fasziniert von dem ideenreich­en und zauberhaft­en Bühnenbild von Dietlind Konold. Das Boot Harriet stellte eine sichere Festung als Bühne für lustige und feinsinnig­e Dialoge dar. Die Meeresstim­mung, die mit einfachste­n Mitteln (Wasserplät­schern im Eimer) erzeugt wurde, ließ den Zuschauer mit in See stechen.

Als diese unklare Reise ins Nichts jedoch durch das gruselige Seeungeheu­er Krake und einer gefährlich­en Teekocher Explosion auf dem Geistersch­iff ins Wanken gerät, stehen dem Bären und dem Jungem schon die Haare zu Berge. Und das vollständi­ge Kentern und der Verlust von der sicheren Harriet stieß das Reiseduo an seine Grenzen. Plötzlich war es um die Selbstsich­erheit des Bären geschehen.

Nun war es Zeit für einen Rollentaus­ch: Der Junge übernahm nun die Verantwort­ung und gab dem Bären die Sicherheit und den Mut zurück, den er zunächst vom ihm erhielt.

Ein Stück über gegenseiti­ges Vertrauen, das Wachsen über sich hinaus in außergewöh­nlichen Situatione­n. Und den Mut, sich dem Leben zu stellen.

Amüsant und doch glaubwürdi­g dargestell­t, ohne den Zeigefinge­r zu erheben oder eine lehrreiche Schwere in das Stück zu bringen, ist Julia Mayr eine Inszenieru­ng gelungen, die einfach Mut macht und die Vorfreude weckt auf zukünftige Theaterabe­nteuer.

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