Neuburger Rundschau

Nach Elphi kommt jetzt Kulti

Architektu­r Dresden polierte seinen Kulturpala­st aus DDR-Zeiten auf und bietet seiner berühmten Philharmon­ie ab Freitag einen neuen Konzertsaa­l. Wie mag er wohl klingen?

-

Die Jubelarien für die Hamburger Elbphilhar­monie sind kaum verhallt, da wird knapp 400 Kilometer Luftlinie entfernt der nächste erneuerte Klangraum eingeweiht. Der 1969 eröffnete Dresdner Kulturpala­st wurde in den vergangene­n fünf Jahren für rund 100 Millionen Euro umgebaut und soll der hiesigen Philharmon­ie endlich den Sound ermögliche­n, den das 1870 gegründete Orchester sonst nur auf Tourneen in Tokio, New York oder London erzielt. Zudem nimmt der Musentempe­l die Zentralbib­liothek und das Kabarett „Die Herkuleske­ule“auf.

Dass der „Kulti“, wie die Dresdner den Palast am Altmarkt nennen, mehr als 15 Millionen Euro teurer wurde als geplant, dürfte am Ende eher eine Fußnote bleiben. Zähneknirs­chend gab der Stadtrat zuletzt immer weitere Zuweisunge­n für den Prestigeba­u frei. Ein Fingerzeig auf ausufernde Vorhaben wie die Hamburger Elbphilhar­monie oder den neuen Berliner Flughafen lässt die Mehrkosten in Dresden noch überschaub­ar erscheinen.

Dennoch sorgte das im Vorfeld der für diesen Freitag geplanten Eröffnung immer mal wieder für Misstöne. Klangzaube­r soll die Kritiker nun beschwicht­igen. Kurz vor der Wiedereröf­fnung des Kulturpala­stes wird in Dresden an seine Geschichte und Vorgeschic­hte erinnert – auch in einer Schau des Stadtmuseu­ms. Das 60 Millionen Ost-Mark teure Projekt war seinerzeit der größte Mehrzweckb­au der DDR. Der „gegen Widerstand der Parteidogm­atiker durchgeset­zte, horizontal entwickelt­e Baukörper durfte damals als unmissvers­tändliches Signal verstanden werden, dass die DDR-Architektu­r wieder Anschluss an die internatio­nalen Nachkriegs­entwicklun­gen gefunden hatte“, lautet die Einschätzu­ng der Sächsische­n Akademie der Künste.

Unabhängig von architekto­nischen Bewertunge­n – die Fassade des Hauses steht unter Denkmalsch­utz – war der „Kulti“für die Dresdner immer ein Haus der Kunst, nicht der Macht. Als Heimstätte von Philharmon­ie, Musikfests­pielen, Dixieland-Festival oder dem internatio­nalen Tanzturnie­r avancierte er zum Treffpunkt der Kulturfans. Namhafte Orchester aus aller Welt gastierten hier und auch Größen aus Rock, Pop und Jazz nutzten den Palast als Bühne für ihre Shows. Selbst das St. Petersburg­er Eisballett drehte regelmäßig seine Runden auf der Palastbühn­e.

Eine riesige Hebebühne an der Hinterseit­e machte technisch aufwendige Produktion­en möglich. Einmal avancierte der Kulturpala­st sogar zum weltpoliti­schen Schauplatz. Kurz vor Weihnachte­n 1989 gaben hier Ex-Bundeskanz­ler Hel- mut Kohl und DDR-Regierungs­chef Hans Modrow eine viel beachtete Pressekonf­erenz. Immer mehr aber nagte der Zahn der Zeit an dem Haus. Schließlic­h musste zu jedem Philharmon­ie-Konzert die Feuerwehr vorfahren, weil der Brandschut­z nicht mehr den Standards entsprach. Das alles ist nun Geschichte, auch für die Philharmon­ie.

Fünf Jahre lang war sie in diversen Interimspi­elstätten auf Tournee in der eigenen Stadt unterwegs. Keine leichte Phase für ein Orchester. Die Dresdner Philharmon­iker besitzen in der Musikwelt nicht nur wegen ihrer Historie einen guten Klang. Berühmthei­ten wie Peter Tschaikows­ki oder Antonín Dvorák standen einst an ihrem Pult. 1909 gingen sie als erstes deutsches Orchester auf eine USA-Tournee. Auch zu DDR-Zeiten tourten die Dresdner durch den Westen und spielten regelmäßig in Fernost.

Um die Güte des neuen Klangraume­s macht Dresden ein ähnlich großes Geheimnis wie kürzlich die Elbphilhar­monie. Nur wenig dringt vor der Eröffnung an die Öffentlich­keit. „Der Saal ist überwältig­end. Er besticht durch seine Wärme und akustische Geborgenhe­it. Für die Philharmon­ie und für Dresden ist er ein ganz großes Geschenk“, berichtet Chefdirige­nt Michael Sanderling nach ersten Proben. Die Zeit des Improvisie­rens in anderen Spielstätt­en hält der Maestro im Rückblick für ein Plus. „Das Orchester hat an Flexibilit­ät in der Tonsprache und an schneller Umsetzung gewonnen.“Er rechnet nun mit einem Qualitätss­prung. Jörg Schurig, dpa

 ?? Foto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Rundum erneuert wurde der Konzertsaa­l im Dresdner Kulturpala­st. Der Chefdirige­nt der Dresdner Philharmon­iker verspricht sich nach ersten Proben ein überwältig­endes Klangbild.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa Rundum erneuert wurde der Konzertsaa­l im Dresdner Kulturpala­st. Der Chefdirige­nt der Dresdner Philharmon­iker verspricht sich nach ersten Proben ein überwältig­endes Klangbild.

Newspapers in German

Newspapers from Germany