Vom Keller in den Urwald
Birdland Nice Brazils südamerikanische Rhythmen läuten die Sommerpause im Neuburger Jazzclub ein
Diese Musik hat zum Abschluss der Saison noch einmal ein Lächeln in die Gesichter der Birdland-Gäste gezaubert. Das Konzert des Quintetts Nice Brazil begann im ersten Set zwar eher standardmäßig und zurückhaltend, steigerte sich zur Pause hin aber kontinuierlich, um im zweiten Set variationsreich Fahrt aufzunehmen. Bossa Nova, eine Johann Sebastian Bach Komposition, Musica Popular Brasileira, weltweit bekannte Klassiker der südamerikanischen Musikszene und vor allem die Eigenkompositionen der in Sao Paula geborenen Sängerin Nice Brazil boten einen Abend mit anregenden Taktvariationen.
Gemütliches Umherschlendern an der heißen Copa Cabana, Strandleben, entspanntes aufs Meer Sehen, Laissez Faire: das erste Set startete mit einer Interpretation eines Klassikers von Baden Powell. Im Duett zwischen der Sängerin Nice Brazil und dem Pianisten Ricardo Fuzo aus New York entspann sich eine spürbar steigende Spannung, mit dem Appell an die Birdland-Besucher, die täglichen Aufgaben mal hinter sich zu lassen und zu relaxen. Brasi- lianisches Temperament entfaltet sich im vorletzten Stück vor der Pause bei „Batida Diferente“. Der Pianist beginnt zunehmend, seine ausgesprochene Freude an der jazzigen Interpretation des Standards zu zeigen, wandelt die Melodie fantasiereich und Aufmerksamkeit fordernd ab. Nices darauffolgende Eigenkomposition nimmt den Besucher mit ins Reich der Gefühle, enttäuschte Liebe als Thema, aber am Ende als Fazit immer das Gute bewahrend. Joel Locher steuert ein feines Solo am Bass bei. Ein melancholischer Ausflug.
Das erste Set endet beschwingt, Nice intoniert Vogelgezwitscher mit einer kleinen Mundflöte, holt das Publikum raus aus dem Alltag, entführt es in den Urwald, zaubert mit ihrer Stimme brasilianisch temperamentvolle Momente.
Eine zärtliche Ballade führt ins zweite Set, ein Duett des Gitarristen Oliver Pellet mit Nice Brazil. Danach breitet sich ein Bossa-Nova- Klangteppich im Jazzkeller aus. Florian Reichle an den Drums greift zu seinen Besen, Ricardo Fluza konterkariert gekonnt den soften südamerikanischen Sound. Den eigenen, vielfältigen afrikanischen und europäischen Wurzeln widmet sich Nice, als sie taktvoll als Intro das Tamborin trommelt und als Quintett zum Thema ein farbenreiches Musikbild entwirft. Lebensfreude kommt rüber bei „You and I“, Nices Lieblingssong, mit modellierter Stimme und spielfreudigem Solo am E-Piano. Oliver Pellet zeigt bei „Eo Populaire“von Bach, was in seiner E-Gitarre steckt. Rebellion gegen die Militärjunta, besonders in den 70ern, prägte Nice in ihrer Jugend und wirkt bis heute nach – ein eindrucksvolles Stück erinnert daran.
Das Publikum summt den Ipanema Klassiker mehr oder weniger leise mit, kleine Soli aller Musiker eingebunden in südamerikanische Rhythmen entlassen das Publikum beschwingt in die Sommerpause.