Die Sau im eigenen Garten frisst gerne Kekse
Haustier Seit fünf Jahren hält die Familie Gröger ein Wildschwein bei sich. Es ist Streicheltier und Wachhund in einem
Wenn nichts mehr hilft, kommen die Croissants zum Einsatz. „Für Süßigkeiten tut er alles“, sagt Cordula Gröger und raschelt mit einer Plastiktüte voll mit dem französischen Gebäck. Doch nach wie vor keine Spur von Eberhardt. „Ebi“, ruft Gröger. „Na komm, Bubi.“Aus der Blechhütte in einer Ecke ihres Gartens grunzt es. Gröger macht den Zaun vor der Hütte auf und geht in das Gehege. Wieder schüttelt sie ihre Tüte. Und dann kommt Eberhardt. Langsam wuchtet er seinen fülligen Körper durch den Matsch – am Vortag hat es geregnet – und reckt seine Schnauze in Richtung der Croissants. Gröger streicht über das borstige Fell und lächelt. „Du bist schon eine faule Sau.“
Das ist nicht mal böse gemeint. Eberhardt, so heißt das Haustier der Grögers, ist nicht irgendein Haustier. Eberhardt ist ein Wildschwein. Und lebt im Garten der dreiköpfigen Familie in Altenstadt (Landkreis Neu-Ulm). Sein Reich ist ein etwa zehn auf 15 Meter großes Gehege mit schlammigem Boden und einer Wasserstelle zum Suhlen sowie einer Blechhütte als Unterstand. Auch im restlichen Garten darf er sich austoben – aber nur unter Aufsicht. „Ansonsten gräbt er uns den ganzen Garten um“, sagt Gröger.
Ein Wildschwein als Haustier – wie kommt man dazu? Im Fall von Eberhardt hatte ein Jäger dessen Mutter erlegt. Das war vor fünf Jahren. Die verbliebenen Frischlinge – Eberhardt und sein Bruder – brauchten ein neues Zuhause. Der befreundete Jäger kam auf die Grögers zu, die die beiden Jungtiere bei sich aufnahmen. Der Bruder starb nach nur einem Tag, doch Eberhardt hielt durch. Auch dank der Pflege seiner neuen Familie. Die päppelte das kleine Wildschwein mit einer Flasche auf. Schnell gewöhnte sich Eberhardt an die Menschen um sich herum – und konnte nicht mehr ohne sie. „Man konnte ihn nicht mal kurz zum Einkaufen alleine lassen, ohne dass er laut gequiekt hat“, erzählt Cordula Gröger. „Die ersten Monate haben unglaublich viel Nerven gekostet.“
Doch die Grögers behielten das ungewöhnliche Haustier, das mittlerweile geschätzt um die 200 Kilogramm schwer ist. Gassi gehen sie mit ihm jedoch nicht. „Wir haben es versäumt, ihn früh an eine Leine zu gewöhnen, jetzt ist es zu spät dafür.“
Dafür haben die Grögers in ihm eine Art Wachhund. Denn: Bei Fremden, die sich dem Grundstück nähern, gibt Eberhardt einen lautstarken Warnruf von sich. Abschreckende Wirkung haben auch seine spitzen Zähne. „Das sind Waffen, davor muss man Respekt haben“, sagt Gröger. Zum Schutz der anderen kommt er deshalb auch nur selten in Kontakt mit den Tieren, die bei der Familie wohnen. Das sind jede Menge: ein Huhn, zwei Hunde, vier Ziegen, fünf Katzen und sieben Hasen. Außerdem mit in Eberhardts Stall: zwei kleinwüchsige Hausschweine. Am Gartentor warnt ein Schild vor dem Wildschwein: „Vorsicht, er könnte schlecht gelaunt sein!“
Doch im Grunde ist Eberhardt ein Lieber. Er genießt es, gekrault und gebürstet zu werden. Und ist scharf auf Süßigkeiten. Neben Croissants mag er am liebsten Kekse mit Schokolade. Da so etwas nicht zur natürlichen Nahrung eines Wildschweins gehört, gibt es solche Leckerlis aber nur selten. Ansonsten frisst Eberhardt so ziemlich alles: Obst, Gemüse, Brot, Nudeln, Kartoffeln, Wurst. Was auf dem Küchentisch nicht aufgegessen wird, findet in ihm einen dankbaren Abnehmer. „Nur Brokkoli mag er nicht“, sagt Gröger und lacht.
Das Wildschwein ist ein Teil der Familie geworden. Und soll es auch weiter bleiben. „Solange er nicht gefährlich wird, bleibt er bei uns. Er ist uns viel zu sehr ans Herz gewachsen.“Um Eberhardt und ihre anderen Tiere zu halten, verzichten die Grögers auf einiges. Zum letzen Mal waren sie vor mehr als 20 Jahren im Urlaub. In diesem Punkt ist auch keine Besserung in Sicht, ist sich Gröger bewusst: „Wer würde denn auf ein Wildschwein aufpassen?“