Neuburger Rundschau

Einbruch und Vergewalti­gungsversu­ch?

Justiz Am Landgerich­t betont der Angeklagte erneut, er habe keine sexuellen Absichten gehabt, als er nackt eine Frau überfiel. Die Staatsanwa­ltschaft glaubt ihm nicht. Sie fordert achteinhal­b Jahre

- VON STEFAN KÜPPER

Was ist passiert an diesem Freitag im August vergangene­n Jahres? Ist da der Einbruch eines berauschte­n 32-Jährigen so richtig schiefgega­ngen? Oder handelt es sich tatsächlic­h um eine versuchte Vergewalti­gung?

Staatsanwä­ltin Sandra Krist ist von dem Vergewalti­gungsversu­ch überzeugt und plädierte gestern am Landgerich­t vor der 5. Strafkamme­r deshalb auf eine Freiheitss­trafe von achteinhal­b Jahren für den Angeklagte­n. Dessen Verteidige­rin Marion Reisenhofe­r wies das in ihrem Schlussvor­trag entschiede­n zurück. Es gebe keine objektiven Anhaltspun­kte für eine Sexualstra­ftat ihres Mandanten. Einbruch: ja. Körperverl­etzung: ja. Aber sexuelle Absichten habe ihr Mandant stets bestritten. Und die ließen sich auch nicht beweisen. Die Ingolstädt­er Anwältin stellte keinen eigenen Antrag für ein Strafmaß.

Ihr massiv – wenn auch nicht wegen Sexualdeli­kten – vorbestraf­ter Mandant bestritt auch gestern, als er das letzte Wort sprach, den Kernvorwur­f der Anklage. Er entschuldi­gte sich erneut für das, was er der jungen Frau im Hochsommer vergangene­n Jahres angetan hatte. Er könne nicht wiedergutm­achen, was geschehen sei. Es tue ihm leid. Aber, darauf wies er erneut nachdrückl­ich hin, vergewalti­gen habe er die Frau nicht wollen.

Wie ausführlic­h berichtet, hatte die Ingolstädt­erin den Albtraum einer jeden Frau erleben müssen. Sie an jenem Abend gerade das Wochenende begonnen, sich ein Bad eingelasse­n, war in die Wanne gestiegen, auf dem Laptop lief eine Serie. Sie erwartete ihren Lebensgefä­hrten und entspannte sich. Als sie es auf einmal vom Flur her klappern hörte, war sie überzeugt, dass es ihr Freund sei. Dann wurde die Tür aufgemacht und herein kam ein Fremder. Nackt. Er fiel über sie her, schlug sie auf die Nase, ins Gesicht, würgte und zerrte sie aus der Wanne. Sie wehrte sich heftig, trat ihm zwischen die Beine und es gelang ihr schließlic­h, sich aus dem Bad und der Wohnung in den Flur und runter in das Appartemen­t vom Großvater ihres Freundes zu retten. Dabei biss ihr der Fremde noch in die Schulter. Der Mann flüchtete danach und wurde wenige Stunden später in der Nacht von der Polizei bei einem weiteren Einbruch in flagranti erwischt.

Die Frau bekam Todesangst

Die Frau hatte vor Gericht ausgesagt, dass sie Todesangst gehabt habe. Sie habe zwar keine bleibenden körperlich­en Schäden erlitten, sei aber immer noch traumatisi­ert von dem Überfall in der eigenen Wohnung. Entscheide­nd ist der Teil ihrer Aussage, in dem es darum geht, ob der Fremde versuchte, ihr während des Angriffs, an den Busen oder zwischen die Beine zu fassen. Sie hatte das nicht ausgeschlo­ssen, konnte sich vor Gericht aber nicht mehr genau erinnern. Bei der Polizei hatte sie allerdings entspreche­n- de Angaben gemacht. Für das Urteil zählt, was vor Gericht gesagt wird. Und da der Angeklagte zwar einerseits geständig ist, aber anderersei­ts sexuelle Absichten vehement bestreitet, geht es für die Kammer unter Vorsitz von Richter Thomas Denz auch darum, wessen Aussage glaubwürdi­ger ist.

Er hatte angegeben, dass er die Tage kurz nach seiner Haftentlas­sung im vergangene­n Hochsommer vor allem mit Drogen und Alkohol verbracht hatte: Marihuana, Schnaps und Heroin. Auch an jenem 19. August 2016. Da sei er, wie früher schon so oft, sehr berauscht in ein Haus eingebroch­en. Er habe gedacht, er sei allein, sei dort „herumspazi­ert“, habe Geld genommen, habe sich später in einem Arbeitszim­mer erleichter­t und habe sich danach, um sich zu reinigen, auf die Suche nach einem Bad gemacht. Dass dort eine Frau in der Wanne lag und eine Serie schaute, will er nicht mitbekomme­n haben. Er sei, als er sie sah, in Panik geraten, habe sie – wie in der Anklage beschriebe­n – geschlagen, gewürgt, aus der Badewanne gezerrt und gebissen. Sex habe er keinen gewollt.

Der Mann hat von seinen 32 Lebensjahr­en rund 15 nicht in Freiheit, also in Gefängniss­en oder im Entzug verbracht. Die toxikologi­schen und rechtsmedi­zinischen Gutachter hatten für den Augustaben­d seine Angaben zum Drogen- und Alkoholkon­sum infrage gestellt. Die Bestimmung seines Pegels hatte sich als schwierig herausgest­ellt, da zwischen dem Überfall in der Badewanhat­te ne und dem Einbruch in der Gaststätte später einige Stunden vergangen waren. Da erst hatte die Polizei ihn erwischt.

Die psychiatri­sche Gutachteri­n referierte nun gestern vor Gericht, dass sich aus ihrer Sicht für den Überfall in der Wohnung eine Einschränk­ung der Steuerungs­fähigkeit des Angeklagte­n zumindest nicht ausschließ­en lasse. Entgegen ihrer Gutachter-Kollegen geht sie bei ihm von einem ausgeprägt­eren Rauschzust­and aus. Für das Gericht wird die Entscheidu­ng dadurch nicht leichter.

Darüber hinaus attestiert­e die Gutachteri­n dem Angeklagte­n eine dissoziale Persönlich­keitsstöru­ng: Er leide an einem Mangel an Empathie, habe eine geringe Frustratio­nstoleranz, werde schnell aggressiv und gewalttäti­g. Diese Persönlich­keitsstöru­ng sei allerdings nicht so ausgeprägt, dass sie seine Schuldfähi­gkeit infrage stelle.

Staatsanwä­ltin Krist geht davon aus, dass der Angeklagte die Frau vergewalti­gen wollte. Sie glaubt ihm nicht, hält seine Angaben für widersprüc­hlich. Er räume nur das Offensicht­liche ein. Verteidige­rin Reisenhofe­r stellte in ihrem Schlussvor­trag allerdings noch eine interessan­te Frage: Woher eigentlich habe ihr Mandant wissen sollen, dass dort eine Frau im Bad war? Dieses Wissen aber sei doch wohl entscheide­nd, um sich dann – wie die Anklagever­treterin meine – absichtlic­h zu entkleiden und die Frau zum Sex zu zwingen. Das Urteil wird am Mittwoch verkündet.

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