Es lebe der König!
VON ANTON SCHWANKHART
Mögen Sprinter wie Usain Bolt die Stars der Leichtathletik sein – ihre Könige sind die Zehnkämpfer. Alleskönner und Leidensmänner, deren Größe sich im Gesamtwerk der zehn Disziplinen ergibt. Aufs Ganze betrachtet entfaltet es einen Glanz, der auch Monarchen beeindruckt. Als Jim Thorpe, Amerikaner indianischer Abstammung, 1912 in Stockholm im ersten olympischen Zehnkampf Gold gewann, adelte ihn Schwedens König Gustav V. zum „größten Athleten der Welt“. Der lässige Thorpe antwortete von König zu König: „Thanks King“.
Über 100 Jahre später hat der Zehnkampf nichts von seiner Faszination verloren. Ein zweitägiges Ringen, in dem sich keiner zu früh als Sieger oder Verlierer fühlen darf. Ein Opfergang auf einer Achterbahn, der im quälenden 1500-m-Lauf von Athleten, die nicht für diese Disziplin geschaffen sind, sein furioses Finale findet.
Paul Meier war bei der WM 1993 in Stuttgart ein Zehnkampf-Held. Er gewann Bronze. Ein König ist er nicht geworden. Der Zehnkampf hat früh seinen Körper ruiniert. Wer hier König werden will, muss auserwählt sein. So ist das seit über hundert Jahren. Meier will das nun ändern. Als Präsident des Deutschen Zehnkampf-Teams plädiert er für einen Zehnkampf „light“. Nur noch acht Disziplinen. Stabhochsprung und Diskuswurf raus. Die Vorteile: Der Zehnkampf wird kompakter, billiger und gerechter, weil nun auch Afrikaner mitmischen können, die keine teuren Sprunganlagen besitzen. Trotzdem möge den Meier-Plan ein Diskus treffen, solange er noch fliegen darf. Meiers Vorhaben würde den Zehnkampf weichspülen, ihm Tradition und Mythos rauben. Es mache es auch nicht besser, gleichzeitig den Siebenkampf der Frauen, um der Geschlechtergleichheit willen, um eine Disziplin aufzustocken. Warum dann Kugelstoßerinnen die 7,257-Kilo-Kugel vorenthalten und sie mit den vier Kilo abspeisen? Warum den Diskuswerferinnen nur die Ein-Kilo-Scheibe zutrauen, während die Männer sich an zwei Kilos austoben dürfen? Weil es auch nicht sinnvoll ist, einen Leicht- und einen Schwergewichtler in den Ring zu stellen.
Vielleicht genügt es einfach, daran zu erinnern, dass der Siebenkampf der Frauen ein ebenso faszinierender Wettkampf ist wie der Zehnkampf der Männer und das Pendant zum König der Leichtathleten die Königin ist.