Ein Stimmphänomen und Bühnentier
Künstlerkarrieren (18) Um Diana Damrau aus Günzburg reißen sich Intendanten, Dirigenten, Musikfreunde. Bald singt sie in Augsburg. Wie ihre sensationelle Laufbahn weitergeht…
Es ist ja nicht so, dass diese Sängerin unterbeschäftigt wäre. Nicht auf den Opern- und Konzertbühnen in Ost und West, und auch nicht familiär mit ihren zwei kleinen Buben.
Und dann kommt auch noch zwischenrein ein Anruf der Staatsoper München. Ob sie nicht einspringen könne, kurzfristig, in „La Traviata“als Violetta Valery. Hat sie doch eh drauf, schon länger. Und bei den bald beginnenden Münchner Opernfestspielen singt sie das tuberkulöse Mädchen dann ja auch.
Und Diana Damrau springt ein. Und mit ihr springt noch einer: Placido Domingo. Und so kam am Dienstagabend – außerhalb der Festspiele – eine festspielwürdige „Traviata“-Aufführung in München zustande, bei der sich das Publikum die Augen rieb und die Ohren spitzte, weil es sich unverhofft und unversehens zwei Stars der Oper gegenübersah. Hernach: Standing Ovations, klar. Und am heutigen Donnerstag: Wiederholung.
Ja, die Damrau. Über fehlende Begeisterung, Zuneigung, ja Liebe seitens des Publikums, seitens der Kritik, seitens Intendanten und Dirigenten kann sie gewiss nicht klagen. Da ist schon mehr, viel mehr. Soeben hat sie eine starke Giacomo-Meyerbeer-CD herausgebracht und mal wieder einen Volltreffer gelandet. Ihre Leichtigkeit, Farbenfülle von Wohllaut zu verströmen, macht ihr derzeit kaum eine andere nach. Das Günzburger Kind, geboren 1971, singt sozusagen auf dem Parnass.
Davon werden sich am 9. Juli auch ihre schwäbischen Anhänger und Landsleute überzeugen können, wenn sie als Stimmphänomen und Bühnentier einen (ausverkauften) Konzertabend in der Augsburger Kongresshalle gibt. Bei der Benefiz-Veranstaltung für die Eva Luise und Horst Köhler Stiftung zugunsten von Menschen mit seltenen Erkrankungen singt sie mit ihrem Ehemann, dem Bassbariton Nicolas Testé, unter anderem Arien aus Opern von Massenet, Meyerbeer, Ponchielli, Bellini und Verdi.
Wer Gelegenheit erhält, mit Diana Damrau zu sprechen, der ist immer wieder verblüfft, wie bodenständig, wie natürlich, wie normal sie auch die banalen Dinge des Le- unverbrämt beim Namen nennt – und bei allem selbstverständlichen künstlerischen Selbstbewusstsein so gar nicht auf Distinktion setzt. Vielmehr auf Selbstironie. Wunderbar, wie sie vor Jahren, nach der Geburt ihres zweiten Sohnes, erklärte, dass sie körperlich noch nicht wieder in Bestform ist. Und wunderbar, wie sie 2015 auf die Frage, ob sie gerne DD sei, trocken antwortete: „Ja. Man muss halt das Beste draus machen.“
Diana Damrau hat in der Tat das Beste aus sich gemacht. Mit hoher Zielstrebigkeit, Disziplin, Fleiß – und unter gesundheitlichen Rückschlägen. Heute weiß sie, die regelmäßig an der Metropolitan Opera New York und an der Mailänder Scala als erste Sängerin gastiert, genau, welchen irrsinnigen beruflibens chen Belastungen sie ausgesetzt bleibt: „Die Versagensangst ist immer dabei!“Wie ein Spitzensportler hat sie – nicht selten unter laufender Kamera – Höchstleistungen auf die Zehntelsekunde genau zu erbringen. Immerhin, auch das schimmert im Gespräch immer wieder durch, besitzt die Damrau starke Nerven und große Zuversicht.
In Günzburg ist sie groß geworden. Hat früh den Wunsch gehabt, aufzutreten und zu singen. Hat Gesangsunterricht bei Carmen Hanganu genommen und ihr Abi gebaut. Fragt man sie heute, wer – neben den Eltern und Carmen Hanganu – für ihre Entwicklung besonders wichtig gewesen sei in Günzburg, erklärt sie am Telefon wie aus der Pistole geschossen: Stadt und Musikschule, von denen sie im Rahmen der Begabtenförderung zusätzlichen kostenlosen Unterricht erhalten habe.
Folgten das Musikstudium in Würzburg und am MainfrankenTheater das Bühnendebüt als Eliza in „My fair Lady“. Dann ging alles rasend schnell für den lyrischen und hohen Koloratursopran: Festengagements an den großen Häusern Mannheim und Frankfurt, schließlich Solistenkarriere. Als Königin der Nacht im doppelten Sinn brillierte sie in den Millionen-Metropolen (sowie mit weiteren anspruchsvollen Mozart-Partien), auch kamen Belcanto, das französische Repertoire und virtuose Richard-StraussPartien dazu. Wer erlebt hat, wie sie 2008 als Münchner Zerbinetta die Männer auf der Bühne und das Publikum um den kleinen Finger wickelte, wird diese Sternstunde an Stimm-Virtuosität und quirliger Spielpräsenz kaum vergessen.
Und es wird weitergehen: Nach der Geburt ihrer Söhne, mit denen sie auf Jahre durch die Welt tourte, wurde ihre Stimme farbenreicher, tragender, reifer. Noch kann sie Mädchenrollen beglaubigen, aber schon steuert sie vehement auf die Rollen von Frauen zu, die bereits etwas durchgemacht haben: Ihre nächsten Operndebüts sind in der kommenden Spielzeit Marguerite in Gounods „Faust“(Berlin) sowie Donizettis „Maria Stuarda“, die ja bekanntlich unter dem Schafott endet (Zürich). Und gesprächsweise hat Diana Damrau auch angedeutet, dass sie weiter mit Kirill Petrenko arbeiten wird, wenn dieser 2018 bei den Berliner Philharmonikern als Chef antritt. Gute Adresse.
Doch jetzt erst einmal: Auftritt in Augsburg.