Alles sicher, oder was?
Schloßfest Taschenkontrollen an den Einlässen, Absperrgitter und zusätzliche Sanitäter. Das neue Sicherheitskonzept hat sich am ersten Wochenende bewährt. Dennoch gab es Beschwerden. Und: Eine freie Gesellschaft bleibt verwundbar
Sie schieben sich mit langen Lanzen im Anschlag den Schlossberg hoch, begleitet von Trommeln und rauchenden Fackeln. Was gefährlich aussieht, ist Teil des großen Einzugs am Freitag – dem ersten großen Prüfstein für das neu ausgetüftelte Sicherheitskonzept. Zur Eröffnung des Schloßfests schleusen sich 2500 Beteiligte und tausende Zuschauer vom Donaukai die Luitpoldstraße entlang, den Schlossberg rauf, rein in die große Festzone der Oberen Altstadt. Für den Verkehrsverein als Veranstalter stellte sich im Vorfeld die Frage: Wie kann die Sicherheit so vieler Menschen gewährleistet werden? Und: Wie kann sichergestellt werden, dass sich keine schwarzen Schafe unter das feiernde Volk mischen?
Das Sicherheitskonzept der Veranstalter basiert auf mehreren Säulen: Polizei, Kontrollen, Stadtwache, Security, Absperrgitter und Rettungssanitäter, um die wichtigsten zu nennen. Neu ist: Immer dann, wenn mit einem großen Besucheransturm gerechnet wird, sind zusätzliche Notärzte im Einsatz – etwa beim Einzug zur Eröffnung, dem Feuerwerk am kommenden Samstag und dem großen Festzug durch die Stadt am Sonntag.
BRK Rettungssanitäter Maximilian Erdle steht beim Einzug am Freitag mit einem mobilen Zelt, einer fahrbaren Trage und einem Rettungswagen an der Luitpoldstraße. Das Wetter ist gut, die Besucher zahlreich, doch von den Sicherheitsvorkehrungen bekommen die wenigsten etwas mit. Erdle dagegen bekommt wenig vom festlichen Einzug mit. Der Sanitäter ist per Funk mit seinen Kollegen verbunden, sie sind überall entlang der Strecke positioniert und einsatzbereit, sollte es zum Ernstfall kommen.
Am Schlossberg herrscht Hochbetrieb. Dort teilen sich Stadtwache und ein professioneller Sicherheitsdienst die Einlasskontrollen. Thomas Jacobsen von der Stadtwache steht vor der großen hölzernen Einlassschranke, als ein fremder Mann mit undefinierbarem Gepäck auf ihn zueilt. Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Ein paar gezielte Fragen und ein Blick in die Tüten genügen, und Jacobsen lässt den Mann passieren. Der Beschicker will pünktlich zur Eröffnung noch Gläser an seinen Stand bringen. „Man braucht ein gewisses Gespür“, sagt Jacobsen. Doch selbst damit lasse sich bei zehntausenden Besuchern nicht jedes Detail kontrollieren.
Vor allem dann nicht, wenn der beginnt. Dann ist die Schranke offen, der Zugang zum Festgelände frei und unzählige Spielleute, Landsknechte, Vereine und Beteiligte bahnen sich den Weg in die Obere Altstadt. Ja, die Teilnehmer des Einzugs müssen angemeldet sein und ja, die soziale Kontrolle innerhalb der teilnehmenden Gruppen ist groß – man kennt sich und man achtet aufeinander. Aber wer es darauf anlegt, sich unschuldig kostümiert unter die Teilnehmer zu mischen, würde wohl kaum von den in guter Absicht Feiernden rüde der Parade verwiesen werden.
In diesem Jahr begleitet die Stadtwache zum ersten Mal das Ende des Einzugs mit mehreren Männern und bremst den nachfolgenden Besuchertross aus, als dieser die Obere Altstadt erreicht. So können die Schranke rechtzeitig geschlossen die Besucher über den regulären Einlass samt Taschenkontrolle auf das Festgelände gelenkt werden. Trotz strenger Kontrollen hält sich die Wartezeit in Grenzen, die meisten Besucher reagieren verständnisvoll, als sie auf Waffen, Pfefferspray und Alkohol kontrolliert werden.
Marlen Hollunder aus München ist eine von ihnen. Die junge Frau ist mit ihrer Bekannten aus Neuburg zum Schloßfest gekommen und gewährt dem Sicherheitspersonal freundlich Einblick in ihren Jutebeutel. „In München wird man überall kontrolliert – ich finde das gut, das erhöht das Sicherheitsgefühl“, sagt sie. Andere sehen das anders. Arthur Plosconka ist an diesem Abend für die Sicherheit am Oberen Tor zuständig und berichtet von Anwohnern, die genervt von der Arbeit kommen und sich beschweEinzug ren. Grund: Auch sie müssen Kontrollen über sich ergehen lassen, selbst ihre Einkaufstaschen werden inspiziert.
Am Stand von Peter Heim aus Miesbach reihen sich Pfeil und Bogen aneinander. „Das sind frei verkäufliche Sportgeräte und keine Waffen“, erklärt er. Dabei könnten die spitzen Pfeile durchaus Schaden anrichten, betont Bogenschütze Hans Braunmüller aus Oberhausen. „Auf einen Menschen gezielt, könne man anschließend Brezeln dran aufhängen“, sagt er derb. Zwar würde Heim nie an Alkoholisierte oder aggressive Kunden verkaufen, aber letztlich ist klar: Das Böse kommt nicht immer in Schwarz daher. Einhundertprozentige Sicherheit könne es nie geben, sagt Friedhelm Lahn, der Vorsitzende des Verkehrsvereins: „Dann müsste auch der Verund kauf von Messern auf Weihnachtsmärkten verboten werden.“
Indes hat die Polizei unten am Schlossberg ein Auto positioniert. Für die Dauer der gesamten Schloßfests soll es die Straße abriegeln. Auch das ist neu. Am Oberen Tor steht noch ein Auto. Zu präsent sind die Bilder vom Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember. Und an diesem Sommertag doch so fern: Für die Kinder am Karlsplatz, die weltvergessen am Brunnen spielen und Wasser auf die Besucher spritzen, für die Feiernden, die torkelnd den Schlossberg hinuntermäandern, vorbei am Polizeiauto, aus dem ein Polizist grüßt, für die Paare, die festlich gekleidet Hand in Hand die Hofgartentreppe hinunterspazieren als wäre es ihre Hochzeit und für die vielen Familien, die – verwundbar und frei – den Heimweg antreten.