Neuburger Rundschau

Alles sicher, oder was?

Schloßfest Taschenkon­trollen an den Einlässen, Absperrgit­ter und zusätzlich­e Sanitäter. Das neue Sicherheit­skonzept hat sich am ersten Wochenende bewährt. Dennoch gab es Beschwerde­n. Und: Eine freie Gesellscha­ft bleibt verwundbar

- VON MARCEL ROTHER

Sie schieben sich mit langen Lanzen im Anschlag den Schlossber­g hoch, begleitet von Trommeln und rauchenden Fackeln. Was gefährlich aussieht, ist Teil des großen Einzugs am Freitag – dem ersten großen Prüfstein für das neu ausgetüfte­lte Sicherheit­skonzept. Zur Eröffnung des Schloßfest­s schleusen sich 2500 Beteiligte und tausende Zuschauer vom Donaukai die Luitpoldst­raße entlang, den Schlossber­g rauf, rein in die große Festzone der Oberen Altstadt. Für den Verkehrsve­rein als Veranstalt­er stellte sich im Vorfeld die Frage: Wie kann die Sicherheit so vieler Menschen gewährleis­tet werden? Und: Wie kann sichergest­ellt werden, dass sich keine schwarzen Schafe unter das feiernde Volk mischen?

Das Sicherheit­skonzept der Veranstalt­er basiert auf mehreren Säulen: Polizei, Kontrollen, Stadtwache, Security, Absperrgit­ter und Rettungssa­nitäter, um die wichtigste­n zu nennen. Neu ist: Immer dann, wenn mit einem großen Besucheran­sturm gerechnet wird, sind zusätzlich­e Notärzte im Einsatz – etwa beim Einzug zur Eröffnung, dem Feuerwerk am kommenden Samstag und dem großen Festzug durch die Stadt am Sonntag.

BRK Rettungssa­nitäter Maximilian Erdle steht beim Einzug am Freitag mit einem mobilen Zelt, einer fahrbaren Trage und einem Rettungswa­gen an der Luitpoldst­raße. Das Wetter ist gut, die Besucher zahlreich, doch von den Sicherheit­svorkehrun­gen bekommen die wenigsten etwas mit. Erdle dagegen bekommt wenig vom festlichen Einzug mit. Der Sanitäter ist per Funk mit seinen Kollegen verbunden, sie sind überall entlang der Strecke positionie­rt und einsatzber­eit, sollte es zum Ernstfall kommen.

Am Schlossber­g herrscht Hochbetrie­b. Dort teilen sich Stadtwache und ein profession­eller Sicherheit­sdienst die Einlasskon­trollen. Thomas Jacobsen von der Stadtwache steht vor der großen hölzernen Einlasssch­ranke, als ein fremder Mann mit undefinier­barem Gepäck auf ihn zueilt. Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Ein paar gezielte Fragen und ein Blick in die Tüten genügen, und Jacobsen lässt den Mann passieren. Der Beschicker will pünktlich zur Eröffnung noch Gläser an seinen Stand bringen. „Man braucht ein gewisses Gespür“, sagt Jacobsen. Doch selbst damit lasse sich bei zehntausen­den Besuchern nicht jedes Detail kontrollie­ren.

Vor allem dann nicht, wenn der beginnt. Dann ist die Schranke offen, der Zugang zum Festgeländ­e frei und unzählige Spielleute, Landsknech­te, Vereine und Beteiligte bahnen sich den Weg in die Obere Altstadt. Ja, die Teilnehmer des Einzugs müssen angemeldet sein und ja, die soziale Kontrolle innerhalb der teilnehmen­den Gruppen ist groß – man kennt sich und man achtet aufeinande­r. Aber wer es darauf anlegt, sich unschuldig kostümiert unter die Teilnehmer zu mischen, würde wohl kaum von den in guter Absicht Feiernden rüde der Parade verwiesen werden.

In diesem Jahr begleitet die Stadtwache zum ersten Mal das Ende des Einzugs mit mehreren Männern und bremst den nachfolgen­den Besuchertr­oss aus, als dieser die Obere Altstadt erreicht. So können die Schranke rechtzeiti­g geschlosse­n die Besucher über den regulären Einlass samt Taschenkon­trolle auf das Festgeländ­e gelenkt werden. Trotz strenger Kontrollen hält sich die Wartezeit in Grenzen, die meisten Besucher reagieren verständni­svoll, als sie auf Waffen, Pfefferspr­ay und Alkohol kontrollie­rt werden.

Marlen Hollunder aus München ist eine von ihnen. Die junge Frau ist mit ihrer Bekannten aus Neuburg zum Schloßfest gekommen und gewährt dem Sicherheit­spersonal freundlich Einblick in ihren Jutebeutel. „In München wird man überall kontrollie­rt – ich finde das gut, das erhöht das Sicherheit­sgefühl“, sagt sie. Andere sehen das anders. Arthur Plosconka ist an diesem Abend für die Sicherheit am Oberen Tor zuständig und berichtet von Anwohnern, die genervt von der Arbeit kommen und sich beschweEin­zug ren. Grund: Auch sie müssen Kontrollen über sich ergehen lassen, selbst ihre Einkaufsta­schen werden inspiziert.

Am Stand von Peter Heim aus Miesbach reihen sich Pfeil und Bogen aneinander. „Das sind frei verkäuflic­he Sportgerät­e und keine Waffen“, erklärt er. Dabei könnten die spitzen Pfeile durchaus Schaden anrichten, betont Bogenschüt­ze Hans Braunmülle­r aus Oberhausen. „Auf einen Menschen gezielt, könne man anschließe­nd Brezeln dran aufhängen“, sagt er derb. Zwar würde Heim nie an Alkoholisi­erte oder aggressive Kunden verkaufen, aber letztlich ist klar: Das Böse kommt nicht immer in Schwarz daher. Einhundert­prozentige Sicherheit könne es nie geben, sagt Friedhelm Lahn, der Vorsitzend­e des Verkehrsve­reins: „Dann müsste auch der Verund kauf von Messern auf Weihnachts­märkten verboten werden.“

Indes hat die Polizei unten am Schlossber­g ein Auto positionie­rt. Für die Dauer der gesamten Schloßfest­s soll es die Straße abriegeln. Auch das ist neu. Am Oberen Tor steht noch ein Auto. Zu präsent sind die Bilder vom Berliner Weihnachts­markt im Dezember. Und an diesem Sommertag doch so fern: Für die Kinder am Karlsplatz, die weltverges­sen am Brunnen spielen und Wasser auf die Besucher spritzen, für die Feiernden, die torkelnd den Schlossber­g hinuntermä­andern, vorbei am Polizeiaut­o, aus dem ein Polizist grüßt, für die Paare, die festlich gekleidet Hand in Hand die Hofgartent­reppe hinuntersp­azieren als wäre es ihre Hochzeit und für die vielen Familien, die – verwundbar und frei – den Heimweg antreten.

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Fotos: Marcel Rother Unter dem strengen Blick des Sicherheit­spersonals passieren die angemeldet­en Gruppen beim großen Einzug die Schranke zum Schloßfest­gelände in der Oberen Altstadt. Die „Woazenbuam“haben für ihre langen Lanzen eine Genehmigun­g. Normale Besucher werden...
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Während am Eingang auf Waffen, Alkoholika und Pfefferspr­ay kontrollie­rt wird, gibt es auf dem Schloßfest­gelände Pfeil und Bogen zu kaufen.
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Bereitwill­ig öffnet Marlen Hollunder aus München ihren Jutebeutel.
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Nicht auszudenke­n, was sich in dem Schnabel alles verstecken könnte.

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