Der Bio Markt verändert sich
Lebensmittel Der Öko-Handel boomt. Doch die Pioniere der Branche bekommen von den Milliarden-Umsätzen wenig ab. Viel fließt an Bio-Supermärkte. Aber auch sie könnten in ein paar Jahren Probleme bekommen
Gerade in Bayern und Baden-Württemberg steht Bio hoch im Kurs. Die Zahl der Verbraucher mit überdurchschnittlichem Einkommen und Bewusstsein für Gesundheit und Nachhaltigkeit sei dort besonders hoch, sagt Wolfgang Adlwarth, Handelsexperte bei der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Und Bio boomt deutschlandweit. 9,48 Milliarden Euro haben die Deutschen im vergangenen Jahr für Bio-Lebensmittel ausgegeben, wie Studien des Arbeitskreises Biomarkt zeigen. Die Umsätze steigen seit Jahren, auch wenn das Wachstum 2016 verhaltener ausfiel als in den Jahren zuvor.
Ausgerechnet für die Pioniere der Öko-Branche fällt vergleichsweise wenig vom Boom ab. Aus einer Studie des Speyerer Kommunikationsberaters Klaus Braun geht hervor, dass die Zahl von Öko-Geschäften, die kleiner sind als 100 Quadratmeter, seit 2008 um ein Drittel zurückgegangen ist. Vor allem Öko-Idealisten ohne große kaufmännische Erfahrung hätten solche kleinen Naturkostläden vor drei bis vier Jahrzehnten eröffnet, berichtet Braun. Er berät seit 30 Jahren Naturkostgeschäfte. Doch der Experte glaubt: Vor allem Bio-Supermärkte, die jetzt zu den Treibern auf dem Markt zählten, könnten auf Dauer Probleme bekommen. „Die Bio-Supermärkte sind verwöhnt mit zweistelligen Wachstumsraten“, bestätigt GfK-Handelsfachmann Adlwarth.
Zwar kaufen viele Deutsche mehr Bio als früher – aber woanders. Nur ein knappes Drittel der Bio-Umsätze geht den Statistiken des Arbeitskreises Biomarkt zufolge in den Na- turkostläden über den Tisch. Zu diesen werden auch Bio-Supermarktketten wie Alnatura, Denn’s oder Basic gerechnet. Mit Abstand am meisten Geld setzen beim Biohandel demnach herkömmliche Supermärkte und Discounter um. Deren Marktanteil ist in den vergangenen Jahren laut Arbeitskreis Biomarkt immer weiter gewachsen.
Dass derzeit vor allem Supermärkte und Bio-Ketten vom Trend zu Öko-Lebensmitteln profitieren, liegt aus Sicht von GfK-Handelsfachmann Adlwarth an der Be- quemlichkeit der Kunden. In diesen Geschäften ist das Sortiment breit, zusätzliche Wege in andere Geschäfte werden überflüssig. Dagegen gelte: „Der klassische kleinere Bioladen ist eher für den Bio-HardcoreKäufer.“
Etliche kleine Naturkostläden mussten zuletzt schließen. Berater Braun beobachtet, dass die kleinen Händler zurzeit den Druck der Supermärkte und der großen Bio-Ketten spüren. „Ein Trend geht dahin, dass die Bio-Supermarktketten auch Märkte in mittelgroßen Städten mit deutlich unter 50 000 Einwohnern eröffnen“, sagt der Experte. Das zeigt auch ein Blick in die Region, wo etwa in Günzburg, Landsberg, Kaufbeuren oder Neusäß derartige Märkte eröffnet wurden. Vor wenigen Jahren sei das noch anders gewesen, sagt Braun.
Dass jetzt viele kleine Läden schließen, habe auch oft biografische Gründe: Viele Öko-Pioniere zögen sich aus Altersgründen zurück. Nicht immer gelinge eine Übernahme durch einen Nachfolger, berichtet Braun. „Da muss ganz viel stimmen.“Zum Beispiel persönliche Faktoren. Denn die seien der Erfolgsgarant für kleine Läden, die erfolgreich laufen. Der Berater sieht vor allem bei diesen Händlern eine große Stärke – auch für die Zukunft. „Das ist klassischer Fachhandel“, sagt er. Kunden honorierten die Atmosphäre in den kleinen Geschäften und dass sie persönlich und vielleicht sogar namentlich von ihrem Händler angesprochen werden.
Genau dieser Aspekt, glaubt Braun, könne den Bio-Supermärkten in einigen Jahren zu schaffen machen. „Das kriegen Bio-Supermärkte so nicht hin“, sagt er. Und im Hinblick auf das Sortiment seien klassische Supermärkte überzeugender – nur dort falle der zusätzliche Weg in ein anderes Geschäft weg. „Es ist eine ernsthafte Überlegung,
Die Zahl der kleinen Naturkostläden sinkt Was zeichnet Bio Ketten in wenigen Jahren noch aus?
ob die großen Bio-Supermarktketten dann nicht die Ersten sind, die überflüssig werden“, gibt Braun zu Bedenken. Man könne die Frage stellen, was diese Geschäfte in fünf oder zehn Jahren noch auszeichne. Bislang seien die Bio-Ketten erfolgreich, weil sie auf gute Vertriebswege zurückgreifen könnten und geringeren Druck als kleine Geschäfte verspürten, sofort Gewinne einstreichen zu müssen.
Der Umsatz im Handel mit BioLebensmitteln werde weiter steigen, prognostiziert Braun. Doch die Marktanteile dürften sich noch stärker in Richtung der herkömmlichen Supermärkte verschieben, vermutet der Berater mit einem Blick auf das in diesem Jahr erstmals geringere Wachstum in den Umsätzen der reinen Biohändler: „Ich bin überzeugt, das ist keine Delle, sondern ein qualitativer Schritt hin zu einer Marktveränderung.“