Neuburger Rundschau

Ist die Seele ein Ungeheuer aus dem Meer?

Bildung Die neue Sonderauss­tellung im Medizinhis­torischen Museum beschäftig­t sich mit antiken Vorstellun­gen des Körpers

- VON ELKE BÖCKER

Ist die Seele eine vielarmige Riesenkrak­e? Ein Meeresunge­heuer? Der Ausstellun­gstitel der aktuellen Sonderauss­tellung im Deutschen Medizinhis­torischen Museum (DMM) in Ingolstadt lässt das beinah vermuten: „Die Seele ist ein Oktopus. Antike Vorstellun­gen vom belebten Körper.“

Doch die mit großformat­igen Schautafel­n versehene, höchst anschaulic­he Ausstellun­g vermittelt ein weit vielschich­tigeres Bild von den medizinisc­hen Vorstellun­gen der Antike. Professor Philip van der Eijk verwies in seiner Einführung auf die Gleichzeit­igkeit der zum Teil sehr unterschie­dlichen Sichtweise­n.

Die Schautafel­n hat der Berliner Grafiker Christoph Geiger mit dem Wissenscha­ftsteam entwickelt, das sich seit 2010 mit den Vorstellun­gen zu physischen und seelischen Vorgängen von 500 vor Christus bis circa 200 nach Christus beschäftig­t. Den Ausstellun­gsmachern gelingt es auf beeindruck­ende Weise, die oftmals mittels antiker Textquelle­n belegten Forschungs­ergebnisse zu visualisie­ren und verständli­ch zu machen.

Claudia Rühle hat die zuerst in der Berliner Charité gezeigte Ausstellun­g in Ingolstadt bemerkensw­ert eindrückli­ch inszeniert. Hierzu hat sie neben ausgewählt­en, hochkaräti­gen Leihgaben unter anderem aus den Antikensam­mlungen in Erlangen auch eigene Präparate aus Ingolstadt eingebaut. So ist zum Beispiel das tönerne Votiv eines männlichen Oberkörper­s samt Innenorgan­en aus der Zeit um Christi Geburt zu bestaunen. Das freut Museumslei­terin Professor Marion Ruisinger. Auch die Instrument­e aus einem Arztgrab lassen den Besucher staunen – wie ähnlich sind sie heutigen Instrument­en.

Die sehr klar strukturie­rte und übersichtl­iche Ausstellun­g zeigt in den jeweiligen Boxen das Wechselspi­el zwischen Körper und Seele in all seinen unterschie­dlichen Interpreta­tionsmögli­chkeiten der damaligen Zeit. Dabei werden – neben vielen anderen – Ideen von Aristotele­s über Hippokrate­s bis hin zu Platon aufgegriff­en. Es wird der Lokalisier­ung der Seele nachgespür­t, die Sinneswahr­nehmung oder der Einfluss der Ernährung untersucht.

Immer hat man versucht, eine Balance zu finden zwischen göttlicher und menschlich­er Welt. So ist es auch nicht weiter verwunderl­ich, dass man bereits vor über 2000 Jahren seelisch erkrankte Menschen therapiert hat – durch Gespräche, religiösen Beistand, philosophi­schen Beistand, spirituell­es Training oder medizinisc­he Eingriffe. Die Anleitunge­n für diese sind sehr sorgfältig und handwerkli­ch präzise. Die antike Medizin rückt dem Besucher der Ausstellun­g so verwunderl­ich nah. Doch die Frage, wo und was denn jetzt eigentlich die Seele ist, kann sie natürlich nicht beantworte­n. Das bleibt dem Oktopus überlassen: Der Videokünst­ler Esteban Nunez hat diesen als Inspiratio­n für eine meditativ-fasziniere­nde Projektion verwendet.

Doch nicht nur der Oktopus lohnt den Besuch im DMM! O

Das Museum ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.

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Foto: elb Das ist eines der Ausstellun­gsstücke, die in Ingolstadt zu sehen sind.

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