Raus aus der Psychiatrie
Justiz Der Rentner, der mit einer geladenen Pistole erwischt wurde, bekommt eine Bewährungsstrafe
Ingolstadt Ein mutmaßlich an Demenz erkrankter Vater mit Hass auf den Liebhaber der Tochter. Auf der Suche nach ihm mit einer durchgeladenen Waffe. Wie gefährlich ist so einer? Und: Gehört der nicht besser dauerhaft eingewiesen? Darum ging es – sehr zugespitzt und verkürzt – am Landgericht Ingolstadt in einem besonders gelagerten Fall.
Die Antwort der 5. Strafkammer unter Vorsitz von Richter Thomas Denz lautete: nein. Sie verurteilte den 70-Jährigen gestern zwar wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Der Unterbringungsbefehl für die Psychiatrie wurde aber aufgehoben.
Wie berichtet, hatte der Ingolstädter gestanden, im Januar eine geladene und entsicherte Waffe mit sich geführt zu haben. Ohne entsprechende Erlaubnis. Diesbezüglich ist er einschlägig vorbestraft. Schon vor Jahren hatten Polizisten bei ihm Pistolen gefunden, für die er keinen Schein hatte.
Nicht vorbestraft ist der Mann allerdings wegen irgendwelcher Aggressionsdelikte. Und das war wichtig für die Entscheidung des Gerichts. Letztlich ging es in dem Fall nur vordergründig um einen Verstoß gegen das Waffengesetz. Knackpunkt war vielmehr, ob der Angeklagte in der Psychiatrie bleiben musste oder nicht.
Hintergrund ist die mutmaßlich sehr schwierige, Jahre dauernde Beziehung der Tochter des nun Verurteilten zu ihrem Liebhaber. Es gab Anzeigen wegen angeblicher Misshandlungen und Vergewaltigungen gegen diesen. Verurteilt wurde er aber nie. Ob die Tochter des Rentners wieder mit ihm zusammen ist, ließ sie vor Gericht offen. Sie hatte immer wieder von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.
Ihr Vater hatte sich an jenem Januartag – nach einem Gespräch mit der Tochter über den Liebhaber – auf die Suche nach diesem gemacht. Mit der durchgeladenen Waffe im Hosenbund. Seine Tochter hatte dann in großer Sorge die Polizei gerufen. Auch weil sie in den Wochen zuvor eine – mutmaßlich durch eine Demenz ausgelöste – Wesensveränderung bei ihrem Vater ausgemacht haben wollte. Vor Gericht hielt sie diese Aussage allerdings nicht mehr aufrecht. In der Anklage stand da aber bereits: „Der Angeschuldigte handelte dabei aufgrund einer organischen Persönlichkeitsstörung bei beginnender frontotemporaler Demenz im Zustand verminderter Schuldfähigkeit.“
Der Vater hatte keine Angaben dazu gemacht, warum er sich auf die Suche nach dem Liebhaber gemacht hatte. Wollte er ihn nur zur Rede stellen? Die Waffe habe er nur zum Schutz dabei gehabt, gab er an. Oder wollte er ihm etwas antun?
Konkrete Hinweise auf irgendwelche bösen Absichten hatten sich in der Verhandlung nicht ergeben. Es gibt keinen Geschädigten. Nur einen – vielleicht – schwer erkrankten Mann, der eine Waffe und Munition mit sich führte, obwohl er das nicht durfte.
Eine psychiatrische Gutachterin hatte referiert, warum sie es für richtig halte, dass der Rentner untergebracht bleibe, er behandelt gehöre und warum künftig eine Gefahr von ihm ausgehen könne. Basierend auf medizinischen Untersuchungen ging sie dabei schon von einer organischen Persönlichkeitsstörung bei beginnender Demenz aus.
Die Kammer folgte der Gutachterin allerdings nicht. Auch wenn es einen medizinischen Befund gebe, komme man, nach allem, was man gehört und erfahren habe, juristisch nicht zu einer Unterbringung in der Psychiatrie. Einen Zusammenhang zwischen der wie auch immer gearteten Krankheit und der Tat – dem Aufbruch mit einer geladenen Waffe – konnte das Gericht nicht herstellen. Die Kammer müsse zwischen dem medizinischen Befund und der Motivation zur Tat unterscheiden. Der Rentner habe ja berechtigte Gründe, davon auszugehen, dass die Beziehung der Tochter zu ihrem Liebhaber ihr zumindest nicht guttue. Aber eine spürbare, krankheitsbedingte Verhaltensänderung habe die Kammer nicht feststellen können. Eine Einschränkung seiner Steuerungsfähigkeit – also Kontrollverlust – sei für den Januartag zwar nicht auszuschließen. Fest stehe das aber nicht. Zudem gebe es auch keine Hinweise auf ein gesteigertes Aggressionspotenzial des Rentners.
Gleichwohl verkündete Richter Denz strengste Bewährungsauflagen und Weisungen. Er darf sich unter anderem dem Liebhaber der Tochter nicht mehr nähern. Und er muss sich erneut untersuchen lassen. Die Bewährungszeit wurde auf vier Jahre festgesetzt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.