Wohin führt der Weg von Horst Seehofer?
Der CSU-Parteichef steckt im Sympathie-Tief. Nach Ende der Koalitionsgespräche in Berlin steht das politische Schicksal des Ministerpräsidenten ganz oben auf der Tagesordnung. Was Weggefährten aus dem Landkreis sagen
Neuburg Schrobenhausen Der Druck auf CSU-Chef Horst Seehofer wächst: Nach dem jüngsten ARDDeutschlandtrend glauben 62 Prozent der Bürger, dass der bayerische Ministerpräsident nach dem Ende der derzeit laufenden Koalitionsgespräche in Berlin seine politischen Ämter niederlegen sollte. Doch wie schätzen Kommunalpolitiker und Weggefährten aus dem Landkreis die Lage ein. Wie soll der Ministerpräsident mit dem stetig steigenden Druck umgehen?
Das politische Schicksal des Parteivorsitzenden scheint derzeit jedenfalls ungewisser denn je. Schon bei der Landesversammlung der Jungen Union vor Wochenfrist in Erlangen hatte die parteinterne Kritik gegen Seehofer eine neue Dimension erreicht. „Bei allen Verdiensten ... muss er jetzt den Weg bahnen für einen geordneten Übergang an der Spitze der Staatsregierung“, heißt es in einem dort verfassten Papier an die Adresse Seehofers. Für die Landtagswahl im nächsten Jahr brauche es einen „glaubwürdigen personellen Neuanfang“, so der Tenor der CSU-Nachwuchsorganisation. Damit war die Debatte über Seehofers Nachfolge, die seit der Schlappe der Unionsparteien bei der Bundestagswahl immer wieder aufflammt, neu entfacht. Schon im Vorfeld hatte er auf seine Kritiker reagiert und angekündigt, die Personaldebatte nicht auf den CSU-Parteitag im Dezember zu verschieben, sondern sich bereits nach Abschluss der Gespräche in Berlin zu erklären.
Was darf man erwarten? Wird Seehofer auf die erneute Spitzenkandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten verzichten, dafür aber Parteivorsitzender bleiben und ins Bundeskabinett wechseln? Der Tag, an dem die Sache ins Rollen kommen soll, ist der kommende Freitag. Tags zuvor, so Bundeskanzlerin Angela Merkel, sollen die Sondierungsgespräche in der Bundeshauptstadt beendet sein. Anderntags wird die CSU-Landesgruppe, am Samstag dann die Landtagsfraktion in München über die Ergebnisse informiert. Am selben Nachmittag tagt schließlich der CSU-Vorstand. Seehofer möchte derweil ein bis zwei Tage in Klausur gehen, um nachzudenken.
Zu welcher Entscheidung der Ministerpräsident zuhause in Gerolfing kommen wird, ist natürlich Spekulation. Doch es gibt in seinem Stimmkreis eine Reihe von Weggefährten, die die politische Karriere des gebürtigen Ingolstädters seit Jahrzehnten begleitet haben. Aber nicht nur hiesi- Partei soldaten pflegen jahrzehntelange Kontakte zum Ministerpräsidenten. Horst Seehofer hat auch persönliche Bande in den Landkreis.
Landrats-Stellvertreter Alois Rau scher kennt den 68- Jährigen seit dessen Nominierung zum Bundestags kandidaten 1980 und hält ihn für ein „politisches Ausnahmetalent. Ich glaube nicht, dass er einfach hinschmeißt“, meint der Oberweilenbacher. „Er wird zu dem Ergebnis kommen, dass er noch gebraucht wird. Denn wer außer ihm in der CSU könnte denn eine herausgehobene Position gegenüber Berlin ausfüllen?“
Fritz Goschenhofer, Kreis- und Stadtrat, war von 1981 bis ’87 See hofersBun des wahlkreis geschäftsführer, und glaubt an dessen Steher qualitäten .„ Er war krank, ist wieder aufgestanden, hat sich aufgerappelt und ist wieder seinen Mann gestanden.“Wie mit dem CSU-Chef derzeit in den eigenen Reihen umgegangen werde, sei „absolut unwürdig“, der Neuburger. „Wir sollten vielmehr froh sein, dieses Kaliber in vorderster Position zu haben. Diejenigen, die ihm jetzt an den Karren fahren, das sind Leute, die ihren eigenen Vorteil suchen“, sagt Goschenhofer, ohne Namen zu nennen. Er glaubt, dass Seehofer sich sehr bald erklären werde. „Und ich hoffe nicht, dass er sagt, ich mag nicht mehr. Ich sehe keinen in der CSU, der so gradlinig ist.“
Thomas Bauer, Vorstandsvorsitzender der Bauer AG in Schrobenhausen, Landesschatzmeister der CSU und ehemaliger Kreisrat, verweist auf die Bilanz von Horst Seehofer. „Er hat einen super Job gemacht und Bayern nach vorne gebracht.“Mit der Flüchtlingskrise sei Seehofer allerdings in eine Zwickmühle gerage ten. „Die Bevölkerung verlangt harte Kante, will aber keinen Bruderzwist in der Union“. Der Versuch, dies auszutarieren, sei keine Wankelmütigkeit. „Seehofer hört darauf, was die Menschen sagen und passt seine Entscheidung dann an.“Eine Prognose für die Zukunft will der Unternehmer nicht wagen. „Man muss sich zusammensetzen und reden“, rät er.
Einer, der über der Partei steht, ist Klaus Benz. Scherzhaft gilt der bekannte Moderator im Landkreis als „ungekrönter König des gesprochenen Wortes“. Der Sehensander nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er über seinen langjährigen Freund Horst Seehofer spricht. Die beiden pflegen einen regen Schriftkontakt, doch Benz wird, wenn nötig, auch deutlich. So hat er nicht verstanden, warum Seehofer die JU-Versammlung sausenließ. Schuld sei sein Mitarbeiterstab, sagt er. „Da ist der Abstand zur Basis einfach zu groß. Ich hätte mich aus Berschimpft lin zuschalten lassen und eine kurze Grußbotschaft übermittelt.“Für das miese Abschneiden bei der Bundestagswahl macht Benz die Kanzlerin verantwortlich. „Nicht Seehofer hat die AfD groß gemacht, Merkel ist abgewählt worden.“Doch apropos Merkel. Gar nicht gefallen hat ihm, wie der CSU-Chef vor zwei Jahren auf dem denkwürdigen Parteitag den CDU-Gast wie ein Schulmädchen habe stehenlassen. „So was macht man nicht. Aber die Merkel ist kalt wie eine Hundeschnauze, da hat er sie unterschätzt. Jeder andere wäre umgekippt. Da ist er ganz schlecht rübergekommen. Ich hab’ ihm das auch so gesagt und er hat es im Nachhinein eingesehen.“Und was rät er dem Freund in der Staatskanzlei? „Um einen unwürdigen Abgang zu vermeiden, würde ich ihm eine Ämtertrennung empfehlen. Er sollte den Parteivorsitz abgeben, dann kann sich der Söder bis zur Landtagswahl da abarbeiten. Wenn er Erfolg hat, kann der Horst sagen, er hat den Weg bereitet. So wird der Übergang nicht zum Desaster wie damals beim Stoiber. Mit erhobener Brust gehen zu können, das ist in der Politik das Wichtigste...“