Warum Manager als Straftäter oft nicht ins Gefängnis müssen
Anton Schlecker entgeht wie der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel der Haft. Das hat auch etwas mit Geld für exzellente Anwälte zu tun
Die Causa „Schlecker“ist ein Sonderfall unter den deutschen Wirtschaftsstrafverfahren. Denn hier stand ein Patriarch mit seinen beiden Kindern vor Gericht. Der gefallene Drogeriemarkt-König war dabei so übermäßig von seinem Können überzeugt, dass er die Unternehmensform des „Eingetragenen Kaufmanns“wählte, was zu ihm passte: Denn Schlecker konnte ohne große Diskussionen schnell Entscheidungen treffen, musste dann aber auch mit seinem Vermögen für alles haften.
Zupackend hatte der frühere Metzgermeister aus dem Nichts ein riesiges Unternehmen aufgebaut. Wer derart an sich glaubt, unterliegt leicht dem Trugschluss, das müsse alles immer weitergehen. Derartige Charaktere neigen zu Beratungsresistenz. Als sein Niedergang unübersehbar war, glaubte Schlecker noch daran, er könne das Unausweichliche, also die drohende Insolvenz, abwenden.
Ein ähnliches Drama durchlebte der Medien-Unternehmer Leo Kirch: Patriarchen werden in Krisen zu Verdrängungs-Fanatikern: Sie blenden Warnzeichen aus und halten sich für Gott. Dabei schien Schlecker mit dem Verlust seines Lebenswerks die größte Strafe längst bekommen zu haben. Doch nun haben ihm die Richter einen weiteren Tiefschlag verpasst, der den Vater sicher demütigen wird. Während er gerade noch mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, sollen seine Tochter und sein Sohn ins Gefängnis. Die Schlecker-Kinder haben, als die Pleite bereits absehbar war, leichtfertig zu viel Geld vor den Gläubigern, wohl für die Familie, in Sicherheit gebracht.
Dass Anton Schlecker weiter ein freier Mann ist, wirft eine grundsätzliche Frage auf: Stimmt es, dass gerade gut situierte Wirtschaftsstraftäter auffällig häufig am Knast knapp vorbeischrammen? Der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel konnte zwar einer saftigen Steuerhinterziehung überführt werden, aber wie bei Schlecker setzten die Richter die Strafe von zwei Jahren zur Bewährung aus. Zuletzt wurde der Prozess gegen den ExChef der Krisen-Bank HRE, Georg Funke, gegen eine Zahlung von mickrigen 18000 Euro eingestellt.
Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass es manchmal Top-Manager böse erwischt. Der frühere Arcandor-Boss Thomas Middelhoff bekam eine Freiheitsstrafe von drei Jahren aufgedonnert und musste wirklich einrücken.
Dennoch täuscht der Eindruck nicht: Zu häufig kommen Spitzenmanager mit einem blauen Auge davon. Die Gründe dafür sind unter Juristen kein Geheimnis. Meist haben solche Unternehmer noch die ein oder andere Million übrig. Sie nehmen sich also die besten Anwälte. Damit kann der Durchschnitts-Einbrecher nicht aufwarten. Doch gerade in häufig sehr komplizierten und sich über viele Jahre hinziehenden Wirtschaftsstrafverfahren gewinnen bestens ausgestattete und ökonomisch beschlagene Juristen gegenüber personell unterbesetzten Gerichten irgendwann an Einfluss. Denn in Wirtschaftsverfahren sind Delikte wie Betrug oder Untreue schwer zu beweisen. Hier handelt es sich um die Königsdisziplin für Juristen. Bei einem Einbruch oder Bankraub haben es Gerichte häufig leichter, wenn sich der Täter mit einem DNA-Test überführen lässt.
Weil die Kräfte in solchen Wirtschaftsstrafverfahren trotz aller Aufrüstungen der Gerichte ungleich verteilt sind, kommt es immer wieder zu einem Deal. Dann muss der Beschuldigte zumindest Geld überweisen, damit Frieden einkehrt. Das ist eine pragmatische Lösung. Denn der Staat hält wenigstens den Spatz in der Hand. Darauf zu warten, die fette Taube auf dem Dach, also ein Urteil gegen Manager, zu bekommen, bleibt mangels Beweisen nicht selten ein Traum.
Unternehmer haben noch die eine oder andere Million übrig