Hier packen die Händler selbst an
Auf anderen Märkten erledigt den Aufbau meist die Stadt. Die Fieranten müssen dann nur noch in die fertigen Hütten einziehen. In Neuburg ist das anders
Neuburg Was wäre die Adventszeit ohne Weihnachtsmarkt? Einen Glühwein mit Freunden trinken und dazu eine Bratwurstsemmel essen, weihnachtliche Klänge auf einem stimmungsvoll beleuchteten Platz – so kann man sich das Warten aufs Christkind am besten vertreiben. Inzwischen gibt es kaum mehr ein Dorf, eine Stadt, die keinen Weihnachtsmarkt auf die Beine stellt. Und auch wenn sich vieles ähnelt, eines unterscheidet wohl alle von dem Weihnachtsmarkt in Neuburg.
Rückblick: Letzte Woche Montag, 10 Uhr, ein kalter Wind pfeift über den Schrannenplatz. Gut ein Dutzend Mann stehen parat. Jeder weiß, wo er anpacken muss, welche Arbeit auf die nächste folgt, welche Schraube wo hineingedreht werden muss. Viele von ihnen helfen seit vielen Jahren mit, manche sogar von Anfang an. In den kommenden Tagen werden sie den Neuburger Weihnachtsmarkt komplett in Eigenregie aufbauen. Montag die Bühne, ab Mittwoch nach dem Wochenmarkt die Stände, Freitag die Christbäume samt Lichterketten und Deko. Allein 140 kleine Fichten werden quer über den Schrannenplatz aufgebunden.
In anderen Städten ist dafür die Stadt oder Gemeinde zuständig. Zum Aufbau des Marktes rückt dann üblicherweise der Bauhof an. Nicht so in Neuburg. Da holen sich die Standbetreiber den Hydranten selbst, ziehen die Stromkabel hin zu den Hütten und montieren Musikanlage und Lautsprecher. Jeder der Aussteller stellt zwei bis drei Mann zur Verfügung. Meist sind es die Gleichen. Man kennt sich, man schätzt sich. Nicht umsonst sprechen alle, die am Neuburger Weihnachtsmarkt beteiligt sind, unisono von einer großen Familie. Konkurrenzdenken gibt es nicht, man hilft sich gegenseitig.
Paul Heinzlmeir ist einer, der von Anfang an dabei ist. Am 4. November 1983 wendeten sich die Anlieger des Schrannenplatzes mit einem Schreiben an die Stadt. Durch den Komplettumbau des Schrannenplatzes in den vergangenen Jahren sei die geschäftliche Entwicklung stark beeinträchtigt worden. Um den Bereich wieder mehr ins Bewusstsein der Bürger zu bringen und damit einen wirtschaftlichen Ausgleich für die vorangegangenen schlechten Jahre zu finden, möchten sie einen Weihnachtsmarkt veranstalten. So war die Idee geboren. Die damals sehr starke Werbegemeinschaft unter ihrem Vorsitzenden Helmut Lahme übernahm die Organisation. Schon drei Wochen später standen die ersten Stände, darunter der Imbiss von Paul Heinzlmeir und Georg Bauer.
Viele alteingesessene Neuburger werden sich noch an den Packerlturm erinnern, der in den Anfangsjahren als Bühne diente. Schon damals kümmerten sich die Fieranten um dessen Auf- und Abbau. Mit den Jahren kamen immer mehr Hütten dazu. Selbstgebaut – was sonst. Auch heute noch lagert fast die gesamte Ausstattung des Weihnachtsmarktes – von den Hütten bis zur Bühne – in der Halle von Paul Heinzlmeir in Zell.
2007 kündigte die Werbegemeinschaft an, dass der Weihnachtsmarkt ihre organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten übersteigt und sie aufhören. Spontan sprangen die Stadt, in Person von Bernhard Mahler, und das Stadtmarketing, geführt von Markus Jocher, in die Bresche. Sie sagten zu, künftig gemeinsam die Organisation des Weihnachtsmarktes zu übernehmen. An den althergebrachten Traditionen änderte sich allerdings nichts. Nach wie vor – und so auch heute – kümmern sich die Fieranten um den Aufbau.
Stadt und Stadtmarketing haben in den vergangenen zehn Jahren die Aufwertung des Marktes vorangetrieben. Gleich zum Start wurde ordentlich investiert, ein Ding der Unmöglichkeit für die Werbegemeinschaft. Bereits im darauffolgenden Jahr gab es eine neue Beleuchtung. Die Bäume rund um den Schrannenplatz wurden illuminiert, das Dach der Markthalle mit tausenden Lichtlein versehen. Es folgte die Installation der Eisarena und auch das Erscheinungsbild und das Angebot der Stände wurden verbessert. Holzverkleidungen statt Plastikplanen. Selbstgestrickte Mützen statt aus China importierter Tennissocken. Das Programm wurde nach und nach erweitert, sodass es nun an jedem Tag mindestens ein Konzert oder eine Aktion für Kinder gibt. Seit 1987 moderiert Klaus Benz die Sozialverlosung. Beide sind inzwischen nicht mehr wegzudenken. Sie gehören zum Neuburger Weihnachtsmarkt wie die Schokolade auf die Lebkuchen.
Vier Wochen Markt – ein Kraftakt für alle Beteiligten. Und doch machen es alle jedes Jahr aufs Neue gerne wieder. Warum? Paul Heinzlmeir sagt: „Mei, man fängt halt mal irgendwann an, und wenn man dann sieht, dass die Besucher Spaß daran haben, dann macht man halt weiter.“Und das ist auch gut so. Die kleinen und großen Gäste des Neuburger Weihnachtsmarktes werden es ihnen sicherlich danken.