60 Jahre spielte er die Kirchenorgel von Längloh
Zum 90. Geburtstag erinnert sich Johann Pöttmesser an seine Schulzeit, seine Heimkehr aus dem Krieg und an eine Verletzung, die ihm die Freude am Orgelspielen nicht nehmen konnte
Burgheim Längloh Wenn sich jemand zum 90. Geburtstag sein eigenes Ständchen auf der Orgel spielen kann, kann man vor ihm getrost den Hut ziehen. Wie man’s macht, das zeigte der Längloher Landwirt Johann Pöttmesser am vergangenen Samstag seinen Geburtstagsgästen. Nach 60 Jahren Organist in der Längloher Kirche zieht der Jubilar daheim immer noch die Register seiner eigenen Orgel.
Johann Pöttmesser ist in seinen 90 Jahren immer Längloher geblieben. Eine Schule gab es in dem kleinen Ort, der heute zu Burgheim gehört, nicht. Weil aber (nach Wilhelm Busch) „der Mensch was lernen muss“, führte der Schulweg von der ersten Klasse an Johann Pöttmesser nach Dezenacker. Dieser Fußmarsch war so etwas wie Frühsport bei Wind und Wetter, wobei im Winter die zugewehten Hohlwege gefürchtet waren. Dann mussten die Längloher Schüler ihre Kleider zum Trocknen aufhängen. Acht Klassen versammelten sich in einem Raum und wurden von Lehrerin Ingeborg Burlafinger unterrichtet. Den beschwerlichen Winterschulmarsch ersparte Johann Pöttmesser der nächsten Generation. Bei schlechtem Wetter lud er Strohbüschel als Sitzgelegenheit und die Längloher Schüler auf einen Viehwagen und fuhr sie mit einem 28 PS starken Eicher-Schlepper nach Dezenacker.
Den Einberufungsbescheid zum Kriegsdienst erhielt der 17-jährige Johann Pöttmesser im Jahr 1944. Schon nach kurzer Zeit geriet er in amerikanische Kriegsgefangenschaft und erkrankte an Diphtherie. Es folgte eine zweijährige Internierung, doch die Amerikaner verfügten damals über die nötigen Medikamente, um die Krankheit wirksam zu bekämpfen. Noch ganz genau erinnert sich Johann Pöttmesser, als er 1946 in Augsburg entlassen wurde und einen Fußmarsch in Richtung Heimat antrat. Er schaffte es, extrem geschwächt, immerhin bis zum Daferner in Schönesberg. Dort servierte ihm der Wirt eine Pfannenkuchensuppe. Von dort holte ihn der Längloher Peter Stadlmayr mit einem Pferdegespann ab und brachte ihn nach Hause. Die Treppe zum Hauseingang schaffte der geschwächte Teenager nur mit fremder Hilfe.
1958 heiratete Johann Pöttmesser seine Frau Ida. Im Abstand von jeweils drei Jahren kamen vier Kinder zur Welt. Als Landwirtschaftsmeister bewirtschaftete der Jubilar seinen Hof in Längloh bis 1994 und übergab ihm dann seinem Sohn Hannes. In seiner Freizeit widmete sich Johann Pöttmesser gerne dem Schießsport und war auch Gründungsmitglied des Schützenvereins in Dezenacker. Mit seiner Frau Ida, die 2014 starb, unternahm er Reisen nach Frankreich, Belgien, Tschechien und Polen. Ganz besonders gerne stieg er zu Pfarrer Walter Hroß in dessen Motorsegler am Burgheimer Fluggelände. Gemeinsam flogen sie zur Zugspitze, nach Schloss Neuschwanstein, zum Kloster Ettal und über die Wieskirche.
Seine ganze Leidenschaft aber gehörte dem Orgelspiel in der Längloher Kirche. Das vorzeitige Ende mit der Musik befürchtete der Jubilar ausgerechnet an seinem 70. Geburtstag. Bei einem Unfall riss er sich den kleinen Finger der rechten Hand aus. Als er im Neuburger Krankenhaus erklärte, dass er Organist sei, wurde er in das Ingolstädter Klinikum verlegt. Dort versuchten die Chirurgen in einer dreistündigen Operation, den kleinen Finger zu retten – vergebens. Nichtsdestotrotz probte Johann Pöttmesser mit neun Fingern auf der Orgel, und bereits nach einer Woche setzte er seine Organistenkarriere fort.
Ähnlich hartnäckig zeigte sich der Jubilar auch beim Schlepper fahren. Um mit einem neuzeitlichen Zuggefährt fahren zu dürfen, machte Johann Pöttmesser noch als 70-Jähriger den dafür nötigen Führerschein. Sozial engagierte sich Johann Pöttmesser im Ambulanten Krankenpflegeverein Sinning und Umgebung. 41 Jahre war er dort Mitglied im Vereinsvorstand.