Wo das Brauchtum wieder lebt
Am 6. Dezember schauen viele Kinder in Lichtenau gespannt aus dem Fenster, wenn der Nikolaus mit seiner Gefolgschaft durch den Ort zieht. Zu verdanken ist das besonders einer Frau
Weichering Der fünfjährige Philipp hat auf den Nikolaus schon sehnsüchtig an der Tür gewartet. Als es klingelt und der große bärtige Mann mit einem Sack voller Geschenke das Haus der Familie Mayr aus Lichtenau betritt, ist dem kleinen Bub die Freude anzusehen. Er glaubt noch an den Nikolaus, seine beiden Schwestern Lea und Lilly, 11 und 10 Jahre alt, sind aus dem Alter raus. Und dennoch, bei dem Anblick eines weiteren Gastes wird auch den beiden Mädchen mulmig zumute: Knecht Ruprecht, ein Mann mit großer Statur, Zausebart und einer Rute. Der Legende nach soll er damit böse Kinder bestrafen. Waren die Geschwister Mayr artig?
Um das herauszufinden, wirft der Nikolaus einen Blick in sein goldenes Buch und entdeckt kleine Vergehen der Kinder. Während Lea sich dieses Jahr nicht immer fleißig auf ihre Querflötenstunde vorbereitet hat, war Philipp ab und zu grantig. „Versprecht ihr mir, euch im nächsten Jahr zu bessern?“Ein zögerliches „Ja“raunt ihm entgegen. Nun sind die Kinder an der Reihe. Ganz selbstbewusst singt der kleine Philipp dem hohen Gast „Lasst uns froh und munter sein“vor. Seine Schwester Lea spielt „Wir sagen euch an den lieben Advent“auf ihrer Querflöte vor. Und Lilly schließt mit einem Gedicht ab. Dann gibt es endlich Geschenke. Neben Mandarinen und Süßigkeiten hat der Nikolaus dieses Jahr Zauberstifte für die Geschwister dabei.
Nun müssen die Gäste weiter, ihre Rentiere samt Schlitten und Geschenken warten vor dem Haus auf sie. Insgesamt besuchen sie heuer 91 Kinder – dafür brauchen sie zwei Tage.
Seit acht Jahren beschenkt der Nikolaus die Kinder aus Weichering und Lichtenau. Die Idee dazu hatte Carina Mayr. „Ich weiß noch sehr gut, wie sehr ich mich damals über den Nikolausdienst gefreut habe und wollte die Tradition an meine Kinder weitergeben.“Die Dreifachmama kaufte ein Kostüm, organisierte Helfer, schrieb passende Texte für ihre Kinder und ließ in Lichtenau nach langer Zeit wieder den Nikolaus aufleben. Erst für ihre eigenen Kinder. Doch mit den Jahren wuchs das Interesse in der ganzen Gemeinde. Nun sind zwei Nikoläuse am 5. und 6. Dezember unterwegs. „Viele Autos halten an und schauen gespannt, wenn die Truppe durch die Straßen läuft. Kinder winken uns zu“, erzählt Mayr.
Mit der Organisation beginnt sie bereits zwei Monate vorher. Für jedes der 91 Kinder schreibt sie einen persönlichen Text. Früher waren diese gereimt, bei der hohen Anzahl der Kinder kann die Jugendleiterin des Lichtenauer Theatervereins das aber nicht mehr leisten. „Die Eltern geben mir stichpunktartig Informationen, die ich dann in die Rede des Nikolaus einfließen lasse.“
Dass sich die Arbeit lohnt, belegt Carina Mayr mit Anekdoten aus den vergangenen Jahren. „Viele Kinder geben dem Krampus ihre Schnuller oder Windeln, um sich im Anschluss davon loszusagen.“Das schöne seien ohnehin die Reaktionen der Kinder. „Einige weinen vor Aufregung, andere machen sich sogar vor Freude in die Hose“, sagt Mayr, die den Brauch auch weiter pflegen möchte.