Ein Film aus 65 000 Ölgemälden
Wie hat van Gogh gelebt, wie ist er gestorben? Ein außergewöhnliches Animationswerk begibt sich auf Spurensuche
„Loving Vincent“ist entgegen der Werbebehauptung nicht der erste Film, der vollständig aus Ölgemälden erschaffen wurde, aber wohl der aufwendigste. 125 Künstler arbeiteten über Jahre an einem Gesamtkunstwerk, das die berühmten Bilderwelten Vincent van Goghs in 65 000 Einzel-Ölbildern auf der Kinoleinwand lebendig werden lässt. Denn der niederländische Maler (1853 – 1890) fasziniert nicht nur durch seine Kunstwerke, auch das Leben eines getriebenen, ausgeschlossenen Menschen beschäftigt immer wieder die (Film-)Kunst.
„Loving Vincent“nutzt die vielen Porträts, die van Gogh von Zeitgenossen zeichnete, um diese animiert das letzte Jahr des Künstlers nacherzählen zu lassen. Ein Jahr nach dem Tod van Goghs taucht ein Brief des Künstlers an Bruder Theo auf, den der junge PostbeamtenSohn Armand Roulin aushändigen soll. Doch Theo ist mittlerweile auch verstorben und aus Armand wird ein Detektiv, der im Dorf Auvers-sur-Oise aufklären will, woher der Maler eine Pistole hatte und wie er sich damit umbringen konnte.
Es ist tatsächlich ungemein reizvoll, wie sich die Porträts einer Wirtin, des Postboten Roulin, der schönen Tochter des Arztes Dr. Gachet und von diesem selbst mit Leben füllen. Die Spielszenen mit realen Schauspielern wurden dafür nachträglich von internationalen Künstlern in Polen übermalt. Ebenso beeindrucken auch die „Hintergründe“, die immer nur leicht bearbeiteten und animierten Landschaftsgemälde van Goghs. Seine dramatische Geschichte blitzt dabei in schwarzweißen Rückblenden auf. Das ist biografisch ausreichend unterfüttert, deutlich wird etwa das Erstaunen darüber, wie er in nur acht Jahren vom Amateur-Maler zum großen, verkannten Künstler wurde.
Allerdings wird im Hin und Her auf der Spur der Gerüchte, im Wechsel der verschiedenen Perspektiven und vor lauter Zeichnung die Figuren-Zeichnung vernachlässigt. Ein menschliches Drama ist ja durchaus vorhanden, in „Loving Vincent“(so die Signatur seiner vielen Briefe an den Bruder) wird es jedoch arg einfach erzählt. Immerhin: So viele zu Recht berühmte Gemälde auf einmal bekommt man ansonsten nur mit Anstehen in Amsterdam zu sehen.
Die Regisseure Dorota Kobielau und Hugh Welchman, die für ihre Recherche die Briefe des Künstlers benutzen konnten, erhielten den Europäischen Filmpreis 2017 in der Kategorie Bester Animationsfilm.
» Loving Vincent (1 Std. 35 Min.), Animationsfilm, GB/P 2017
Wertung ★★★★✩