Er will noch viel mehr
Warum Boris Johnson gerade mit wilden Ideen von sich reden macht
London Es handelte sich zwar vordergründig um eine reine Tatsachenbeschreibung des britischen Schatzkanzlers Philip Hammond. Doch in diesen Worten steckte eine kühle Ermahnung. „Boris Johnson ist Außenminister.“Sein Parteikollege muss dieser Tage offenbar wieder an die Aufgabenverteilung erinnert werden. Denn Johnson, der schillernde Chefdiplomat mit dem zersausten blonden Haar, scheint gerade wieder den Drang zu haben, die Schlagzeilen zu beherrschen.
Gestern wollte er laut Medienberichten im Kabinett mehr Geld für den siechenden Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) fordern. Dieser steckt in einer tiefen Winterkrise und hat sich für die Regierung zum massiven Problem entwickelt. Überfüllte Kliniken, frustriertes Personal, zu wenig Geld – Patienten drohten auf den Krankenhausfluren zu sterben, warnten kürzlich knapp 70 Ärzte in einem offenen Brief Premierministerin Theresa May.
Boris Johnson wollte daher verlangen, dass die Konservativen 100 Millionen Pfund für das steuerfinanzierte System bereitstellen – nur: Gesundheitspolitik gehört nicht in sein Aufgabengebiet, weshalb er noch vor der Sitzung vom Schatzkanzler abgekanzelt wurde.
Dass Johnson sich überhaupt zum NHS zu Wort meldet, hat wohl vor allem mit persönlichen Ambitionen zu tun. Der ehemalige Bürgermeister Londons hatte während der Brexit-Kampagne versprochen, die 350 Millionen Pfund, die das Königreich angeblich wöchentlich an die EU überweist, für nationale Belange – genauer: den NHS – auszugeben. Die Behauptung war damals schon nicht haltbar. Beobachter vermuten, dass der Außenminister mit seiner Forderung nach einer „Brexit-Dividende“für den NHS seine Popularität zurückgewinnen will, die seit dem Referendum schwer gelitten hat. Selbst im konservativen Lager nehmen ihm viele die Einmischungen in die Tagespolitik übel. Immer wieder durchkreuzte er die BrexitPläne der Premierministerin und zog öffentlichkeitswirksam rote Linien. Die Ablösung von Theresa May hat der ehrgeizige Außenminister keineswegs abgehakt, sind sich in Westminster alle einig.
Erst Ende vergangener Woche hatte Johnson dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron den Bau einer Brücke über den Ärmelkanal vorgeschlagen. Die „guten Verbindungen“zwischen Frankreich und Großbritannien seien wichtig, soll er gesagt haben. Die Idee sorgte für reichlich Spott auf der Insel. Erst reiße der EU-Skeptiker Brücken ein, um sich dann als großer Brückenbauer zu präsentieren. Dennoch wurde die „Boris-Brücke“auf der Insel tagelang breit diskutiert. Am Schluss war man sich aber einig, dass das Land gerade andere Sorgen plagen.