Der Skandal des Gedichts
Imponierender Gang durch die Geschichte
Das Gedicht zählt zu den Verdächtigen. Wozu soll dieses Luxusgut taugen? Etwa zur Weltverklärung? Oder zum persönlichen Kitschartikel? Existieren nicht zu viele schlechte Gedichte? Die Belege für all dies sind zahlreich. Und doch gibt es Gegenteiliges, und davon jede Menge. Wer das nicht glaubt, möge zum kompakten ReclamBändchen des Schweizer Germanisten Peter von Matt greifen. Er fragt: „Was ist ein Gedicht?“und spricht diesem das Streben nach Vollkommenheit, nach Schönheit zu – ein für heutige, des Schönen weithin entwöhnte Augen und Ohren skandalöses Sinnen! Beispiele gefällig? Peter von Matt ist in der Lyrik so beschlagen, dass er fundiert und verständlich den Zweifeln entgegenarbeitet, die Spanne von der Sappho bis Ulla Hahn ausmessend. Dabei verbirgt sich der Drang nach Schönheit nicht selten im Verlust derselben, wofür u. a. Ernst Jandls finstere Bilanzierung „von zeiten“einsteht, mag die erste Zeile das auch dementieren: „sein das heutentag sein es ein scheißen tag“.
Peter von Matt hat seinen grundlegenden Essay „Zur Anthropologie des Gedichts…“von 1998 überarbeitet und um drei Kapitel (Natur, Politik, Liebe) erweitert. Aus dem stattlichen Personenregister ragen Shakespeare, Heine, Storm, Trakl Brecht und Celan heraus. Zwischendurch blitzen verblüffend aktuelle Parallelen auf – etwa von Grillparzer zum schändlichen Missbrauch von Wahr und Falsch.