Neuburger Rundschau

Winterdien­st sorgt für Ärger

Bergheims Bürgermeis­ter ist es leid, sich mit Beschwerde­n über den örtlichen Räum- und Streudiens­t auseinande­rzusetzen. Deshalb gibt es jetzt Konsequenz­en

- VON CLAUDIA STEGMANN mili)

Bergheim Manchmal, so sagt Tobias Gensberger, klingelt bei ihm nachts um 21.30 Uhr oder noch später das Telefon. „Wo bleibt der Räumdienst?“, würde ihn die Person am anderen Ende der Leitung dann vorwurfsvo­ll fragen. Es ist nicht nur die Uhrzeit, die der Bergheimer Bürgermeis­ter beklagt. Es ist auch der Anspruch, den manche Anwohner an den Winterdien­st haben und der Gensberger ärgert. „Die Gemeinde räumt, so viel wie möglich ist. Doch manchen kann man es nicht recht genug machen“, sagte er am Montag in der Gemeindera­tssitzung.

Die Beschwerde­führer würden hauptsächl­ich in Anliegerst­raßen wohnen, in denen wahlweise zu spät, zu schlecht oder gar nicht geräumt worden sei. Obwohl es in diesem Winter noch verhältnis­mäßig wenig Schnee gab, zieht Gensberger jetzt die Konsequenz­en: Anliegerst­raßen werden weiterhin geräumt – wenngleich es dafür keine rechtliche Verpflicht­ung gebe –, allerdings wird der Bauhof künftig auf keinerlei Sonderwüns­che mehr eingehen. „Das ist ein teurer Service, den sich die Gemeinde da leistet. Aber wenn die Beschwerde­n weiter so bleiben, dann werde ich mir überlegen, ob der Räumdienst künftig nur noch seine Pflichtauf­gaben erfüllt.“Heißt: Anliegerst­raßen sollen dann überhaupt nicht mehr geräumt werden. Denn eine Räum- und Streupflic­ht besteht für Gemeinden laut dem bayerische­n Straßen- und Wegegesetz nur an verkehrswi­chtigen und zugleich gefährlich­en Straßenste­llen. Als verkehrswi­chtig beurteilt werden Ortsdurchf­ahrten von Bundes-, Landes- und Kreisstraß­en, örtliche Hauptverke­hrsstraßen und große Durchgangs­straßen. Bei kleineren Gemeinden betrifft dies örtliche Verkehrsmi­ttelpunkte wie Ortskern, Marktplatz und Hauptkreuz­ungsstelle.

Eine Pflicht, alle Straßen bei Glätte zu streuen, besteht ebenfalls nicht. Die Straßen müssen nicht im perfekten Zustand sein, sie müssen lediglich verkehrssi­cher gemacht werden, und zwar mit Beginn des Hauptberuf­sverkehrs. In der Regel also ab 7 Uhr morgens. Die Räumpflich­t endet um 20 Uhr.

In der Sitzung am Montag wies Gensberger darauf hin, dass nicht nur die Gemeinde, sondern auch Haus- und Grundstück­seigentüme­r eine Räumpflich­t haben. Dazu gehört, dass sie den Gehweg entlang ihres Grundstück­s auf einer Breite von mindestens einem Meter vom Schnee befreien. Wenn es keinen Gehweg gibt, gilt selbiges für die Straße. Außer dem Gehweg müssen Anlieger auch den Haupteinga­ng sowie den Weg zu den Mülltonnen, Stellplätz­en und Garagen räumen und streuen.

Die Streu- und Räumpflich­t ist werktags zwischen 7 und 20 Uhr, an Sonn- und gesetzlich­en Feiertagen ab 8 Uhr. Innerhalb dieser Zeitspanne müssen die Gehwege so geräumt und gestreut sein, dass kein Fußgänger ausrutscht. Das gilt auch, wenn der Schneepflu­g des Bauhofs die freigescha­ufelten Bürgerstei­ge beim Räumen wieder mit Schnee eindeckt. Das ist zwar ärgerlich, hilft aber nichts: Dann muss der Anwohner noch einmal zur Schaufel greifen.

Es gibt aber Ausnahmen von der 7- bis 20-Uhr-Regelung. Gastwirte müssen beispielsw­eise während der Öffnungsze­iten immer für freie Fußwege sorgen. Das gleiche gilt für Grundstück­seigentüme­r, die wissen, dass Passanten ihr Grundstück schon früher betreten. Auch sie müssen dann früher räumen, sonst können sie haftbar gemacht werden. In einem Urteil des Oberlandes­gerichts Koblenz stürzte eine Mitarbeite­rin einer Metzgerei morgens um kurz vor 5 Uhr vor dem Betriebsto­r. Da ihr Arbeitsbeg­inn um 5 Uhr war, habe der Arbeitgebe­r seine Verkehrssi­cherungspf­licht verletzt. Wenn nur einzelne Personen oder der Zeitungsau­sträger vor einem privaten Anwesen unterwegs sind, muss nicht vor 7 Uhr geräumt werden.

Wer übrigens seiner Räumpflich­t nicht nachkommt, muss im schlimmste­n Fall 500 Euro Bußgeld bezahlen. Rausreden kann sich keiner, denn die Gemeinde Bergheim macht Fotos von den Verstößen, die sie anzeigt.

Grundsätzl­ich ist jede Gemeinde für das Räumen und Streuen verantwort­lich. Allerdings können sie diese Pflichten durch eine Gemeindesa­tzung an die Eigentümer übertragen. Gemeindera­t Christian Göbel schlug deshalb vor, möglicherw­eise eine solche Satzung zu erlassen. Gensberger: „Wenn’s gewünscht wird, können wir das tun.“

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Archivfoto: Annette Zoepf „Manchen Anwohnern kann man es nicht recht genug machen“, sagte Bergheims Bürgermeis­ter Tobias Gensberger. Deshalb werden künftig beim Winterdien­st keine Son derwünsche mehr erfüllt.

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