Winterdienst sorgt für Ärger
Bergheims Bürgermeister ist es leid, sich mit Beschwerden über den örtlichen Räum- und Streudienst auseinanderzusetzen. Deshalb gibt es jetzt Konsequenzen
Bergheim Manchmal, so sagt Tobias Gensberger, klingelt bei ihm nachts um 21.30 Uhr oder noch später das Telefon. „Wo bleibt der Räumdienst?“, würde ihn die Person am anderen Ende der Leitung dann vorwurfsvoll fragen. Es ist nicht nur die Uhrzeit, die der Bergheimer Bürgermeister beklagt. Es ist auch der Anspruch, den manche Anwohner an den Winterdienst haben und der Gensberger ärgert. „Die Gemeinde räumt, so viel wie möglich ist. Doch manchen kann man es nicht recht genug machen“, sagte er am Montag in der Gemeinderatssitzung.
Die Beschwerdeführer würden hauptsächlich in Anliegerstraßen wohnen, in denen wahlweise zu spät, zu schlecht oder gar nicht geräumt worden sei. Obwohl es in diesem Winter noch verhältnismäßig wenig Schnee gab, zieht Gensberger jetzt die Konsequenzen: Anliegerstraßen werden weiterhin geräumt – wenngleich es dafür keine rechtliche Verpflichtung gebe –, allerdings wird der Bauhof künftig auf keinerlei Sonderwünsche mehr eingehen. „Das ist ein teurer Service, den sich die Gemeinde da leistet. Aber wenn die Beschwerden weiter so bleiben, dann werde ich mir überlegen, ob der Räumdienst künftig nur noch seine Pflichtaufgaben erfüllt.“Heißt: Anliegerstraßen sollen dann überhaupt nicht mehr geräumt werden. Denn eine Räum- und Streupflicht besteht für Gemeinden laut dem bayerischen Straßen- und Wegegesetz nur an verkehrswichtigen und zugleich gefährlichen Straßenstellen. Als verkehrswichtig beurteilt werden Ortsdurchfahrten von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, örtliche Hauptverkehrsstraßen und große Durchgangsstraßen. Bei kleineren Gemeinden betrifft dies örtliche Verkehrsmittelpunkte wie Ortskern, Marktplatz und Hauptkreuzungsstelle.
Eine Pflicht, alle Straßen bei Glätte zu streuen, besteht ebenfalls nicht. Die Straßen müssen nicht im perfekten Zustand sein, sie müssen lediglich verkehrssicher gemacht werden, und zwar mit Beginn des Hauptberufsverkehrs. In der Regel also ab 7 Uhr morgens. Die Räumpflicht endet um 20 Uhr.
In der Sitzung am Montag wies Gensberger darauf hin, dass nicht nur die Gemeinde, sondern auch Haus- und Grundstückseigentümer eine Räumpflicht haben. Dazu gehört, dass sie den Gehweg entlang ihres Grundstücks auf einer Breite von mindestens einem Meter vom Schnee befreien. Wenn es keinen Gehweg gibt, gilt selbiges für die Straße. Außer dem Gehweg müssen Anlieger auch den Haupteingang sowie den Weg zu den Mülltonnen, Stellplätzen und Garagen räumen und streuen.
Die Streu- und Räumpflicht ist werktags zwischen 7 und 20 Uhr, an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ab 8 Uhr. Innerhalb dieser Zeitspanne müssen die Gehwege so geräumt und gestreut sein, dass kein Fußgänger ausrutscht. Das gilt auch, wenn der Schneepflug des Bauhofs die freigeschaufelten Bürgersteige beim Räumen wieder mit Schnee eindeckt. Das ist zwar ärgerlich, hilft aber nichts: Dann muss der Anwohner noch einmal zur Schaufel greifen.
Es gibt aber Ausnahmen von der 7- bis 20-Uhr-Regelung. Gastwirte müssen beispielsweise während der Öffnungszeiten immer für freie Fußwege sorgen. Das gleiche gilt für Grundstückseigentümer, die wissen, dass Passanten ihr Grundstück schon früher betreten. Auch sie müssen dann früher räumen, sonst können sie haftbar gemacht werden. In einem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz stürzte eine Mitarbeiterin einer Metzgerei morgens um kurz vor 5 Uhr vor dem Betriebstor. Da ihr Arbeitsbeginn um 5 Uhr war, habe der Arbeitgeber seine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Wenn nur einzelne Personen oder der Zeitungsausträger vor einem privaten Anwesen unterwegs sind, muss nicht vor 7 Uhr geräumt werden.
Wer übrigens seiner Räumpflicht nicht nachkommt, muss im schlimmsten Fall 500 Euro Bußgeld bezahlen. Rausreden kann sich keiner, denn die Gemeinde Bergheim macht Fotos von den Verstößen, die sie anzeigt.
Grundsätzlich ist jede Gemeinde für das Räumen und Streuen verantwortlich. Allerdings können sie diese Pflichten durch eine Gemeindesatzung an die Eigentümer übertragen. Gemeinderat Christian Göbel schlug deshalb vor, möglicherweise eine solche Satzung zu erlassen. Gensberger: „Wenn’s gewünscht wird, können wir das tun.“