Der Charme der langen Bögen
The Jorge Rossy Quartet im Birdland Jazzclub
Neuburg Die Musik der spanischen Jazz-Formation The Jorge Rossy Quartet packt den Zuhörer nicht gleich bei den ersten Takten. Es braucht ein Weile, bis sich der Charme dieser langen, ruhigen, von einem melancholischen Grundton durchzogenen musikalischen Bögen entfalten kann. Im Programmheft des Birdland ist dieses Konzert unter dem großen Etikett „Mainstream“angekündigt. Aber die fein austarierten Klänge der vier Musiker von der iberischen Halbinsel gehen nicht locker ins Herz, in den Bauch oder gar in die Beine des Publikums. Davor steht ein wenig intellektuelle Anstrengung.
Die Mühe aber lohnt sich. Der Abend wird zu einem musikalischen Vergnügen, das erarbeitet und verdient sein will. Die Klangwelt dieses Quartetts aus einer nicht gerade gängigen Kombination aus Vibrafon (Jorge Rossy), Tenorsaxofon (Santi Delarubia), Bass (Marc Cuevas) und Schlagzeug (Aldo Caviglia) ist kunstvoll aufgebaut und stellt Ansprüche. Die vier Instrumente erzählen elegische, lyrische Geschichten. Herausstechende, virtuose Soli, auf die sofort der Szenenapplaus folgen würde, sind selten. Vielmehr kommunizieren die Mitglieder dieses Quartetts auf subtile Art miteinander, sie geben sich die lyrischen Linien sorgsam gegenseitig in die Hand und verweben Melodien wie Harmonien zu einem dichten Klang.
Alle vier sind so durchgehend ein präsenter Teil des Ganzen, auch wenn sie mal für ein paar Takte den Klangkaskaden und Läufen des Tenorsax oder einem Aufblitzen der Drums zuhören und kurz an den Rand der Bühne treten. Das hat kammermusikalische Qualitäten, der Zuhörer wird in diese konzentrierte und manchmal philosophisch angehauchte Welt hineingezogen.
Jorge Rossy ist von Haus aus ein Meister des Schlagzeugs, das Vibrafon ist eigentlich „nur“sein Zweitinstrument. Daraus hat der spanische Klangzauberer schon lange seine eigentliche Leidenschaft entwickelt und ein ganz eigenes JazzQuartett geformt. Das Vibrafon, sicher nicht auf Anhieb jedes Zuhörers Sache, wird zu einer leisen, mit Poesie präsentierten musikalischen Visitenkarte dieser Formation. Jorge Rossy streichelt fast über seine „Tastatur“, er schlägt sphärische Klänge an, setzt kluge improvisatorische Akzente und gibt diesen Grundton immer wieder an seine drei Kollegen weiter. Die kosten die Klangfarben ihrer Instrumente wirklich aus: Der junge Marc Cuevas gibt einen stets hochpräsenten, edlen Bassisten ohne störendes Brimborium, Aldo Caviglia an den Drums verbindet scharf konturierte Percussion mit einem fast melodiösen Rhythmusgefühl. Dieses Schlagwerk fügt sich in den lyrischen Gesamtklang auf eine bemerkenswerte Weise ein. Und der vorzügliche Saxofonist Santi Delarubia zelebriert seine langen, eigentlich wilden Tonfolgen auf eine unaufgesetzte Art. Das ist technisch schwer und wirkt doch ganz leicht und schwebend. – Wie gesagt, der Charme dieser Jazz-Combo zeigt sich nicht so easy. Aber wer sich in diese Welt hineinbegibt, wird großzügig belohnt. Etwa mit einem zauberhaften „Kapuziner-Swing“oder einer Adaption des „Liebesliedes“von Kurt Weill.