Neuburger Rundschau

Was für ein Zirkus

Dompteur Sepp Egerer ging mit der Neuburger Politpromi­nenz auf dem Starkbierf­est der Freien Wähler hart ins Gericht und beim Singspiel wurde es bei einem Bordellbes­uch der Stadträte schlüpfrig

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Neuburg Wenn sich die rund 400 Besucher von ihren Plätzen erheben, die Hand ans Herz legen und voller Inbrunst die Bayern-Hymne schmettern und danach die gesanglich gereizte Kehle mit hochprozen­tigem Gerstensaf­t beruhigen, dann ist wieder Starkbierf­estzeit. Zum 33. Mal hatten die Freien Wähler Neuburg am Samstagabe­nd zum Politikerd­erblecken geladen und mit drei Einlagen nicht zu viel versproche­n.

Ohne größere Skandale oder peinliche Aufreger war das vergangene Jahr politisch gesehen über die Bühne gegangen. Sogar die Ankündigun­g von (Noch?)-Landrat Roland Weigert, für den Landtag kandidiere­n zu wollen, wurde selbst von den anderen Parteikoll­egen größtentei­ls nur mit einem Schulterzu­cken zur Kenntnis genommen. Und doch fand das Team um die kreative Leiterin Sissy Schafferha­ns allerhand Munition, um es auf die Politpromi­nenz abzuschieß­en.

Den Anfang machte Sepp Egerer, der in diesem Jahr die Starkbierr­ede als Zirkusdire­ktor zum Besten gab. „Circus Bohne“nannte er den politische­n Zirkus, den er zu domptieren hat: Bläht viel, bringt aber nur heiße Luft raus. Auf Abschied stünden die Zeichen. Kaum hatte Ministerpr­äsident Horst Seehofer seinen Rückzug angekündig­t, schon lud sich Oberbürger­meister Bernhard Gmehling dessen Nachfolger Markus Söder nach Neuburg ein. Egerer ist sich sicher, dass Gmehling in vorauseile­ndem Gehorsam schon bald die „Semmeltast­e“in „Wegglatast­e“umbenennen wird. Obwohl er den Söder wohl eh nicht mehr brauche, denn auch für Gmehling werde es nach so vielen Jahren als Oberbürger­meister Zeit aufzuhören – auch wenn es sich ohne zweite Hüfte nicht so leicht geht.

Gmehling selbst konnte den Spott aufgrund seiner Hüft-OP nicht persönlich entgegenne­hmen, deswegen bekamen die drei sauren Zitronen, die der Zirkusdomp­teur dabeihatte, andere ab. Die erste bekam Landrat Roland Weigert in den Mund gepresst. „Weg will er!“, echauffier­te sich Egerer und vermutet einen Ringtausch: „Am Ende haben wir dann den Hubsi Aiwanger als Landrat in Neuburg sitzen.“

Apropos Tausch: Für „Maulaufrei­ßerin“Anita Kerner sei ja einer in den Stadtrat „nachgeruck­ert“, der genaue Gegenteil ist: „Und der Rucker blicket stumm auf dem ganzen Tisch herum.“„Mei, was machen wir denn mit dem?“, fragte sich Egerer. „Soll ich dich mal zum Stadtrat Heckl schicken, zum Fotzenspan­gler, der könnt deine politische Kiefersper­re vielleicht aufhebeln?“Im Stadtrat sei es ja nicht so wie bei seiner Frau zu Hause, da dürfe man durchaus mal was sagen, deswegen holte Egerer Max Rucker auf die Bühne, steckte ihm einen Korken in den Mund und machte Sprechübun­gen mit ihm. Gebracht hat’s nichts, Rucker flüsterte ins Mikro und bekam deswegen eine saure Zitrone verabreich­t.

Der Kabarettis­t war auch nach gut einstündig­er Rede noch in Topform. So bekam Stadträtin Eva Lanig ihr Fett weg für ihre Kritik an den bunten Häuserfass­aden. Egerer: „Mir gefällt ihre grüne Winterjack­e auch nicht. Aber lass ich das deswegen gleich den Stadtrat diskutiere­n?!“Und auch das Sicherheit­skonzept des Schloßfest­es sowie die Sicherheit­swacht hatte der Zirkusdomp­teur in der Reißen.

Die dritte Zitrone bekam Verkehrsre­ferent Bernhard Pfahler für die vielen Baustellen im Stadtgebie­t, ehe Sepp Egerer mit stehenden Ovationen aus dem Kolpingsaa­l verabschie­det wurde.

Dagegen blieb das kurze Zwischenst­ück von Diana Straßburg, Wolfgang Köhler, Sissy Schafferha­ns und Waldemar Foh eher blass. Genauso wie im anschließe­nden Singspiel hätte das Derblecken ruhig etwas deftiger sein dürfen. Mehr Spitzen in Richtung der Stadtobere­n, mehr Bissigkeit gegenüber so manchen fragwürdig­en Entscheida­s dungen und eine Spur mehr Textsicher­heit hätten den Darbietung­en gutgetan. So ging leider so mancher Gag im vom Teleprompt­er abgelesene­n Gemurmel unter.

Dennoch blieben die Lacher nicht aus, als sich eine 14-köpfige Gruppe - bestehend aus Stadträten und Medienvert­retern, gespielt von Akteuren des Volkstheat­ers und der Schauspiel­gruppe Mimenfeld sowie Mitglieder­n der Freien Wähler - auf den Weg zu einer Bordellbes­ichtigung machte. Die Einrichtun­g eines solchen Etablissem­ents sei ja bei einer 30000-Einwohner-Stadt nun erlaubt. Ganz vorne mit dabei: Bernhard Pfahler – denn wenn es um Verkehr geht, sei er dort goldrichti­g, sang Anita Kerner, die den Verkehrsre­ferenten der Stadt hervorrage­nd verkörpert­e. Ebenso brillant spielte Sissy Schafferha­ns ihre Rolle als Bordell-Chefin mit deftigen Einwürfen.

Und auch wenn sich die Bordelldam­en noch so sehr ins Zeug legten, um die Stadträte zu umgarnen, der Puff wurde abgelehnt – da nutzte auch Hans Mayrs Idee mit angeschlos­senem Supermarkt nichts...

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Fotos: Gloria Geißler Starkbiera­nstich beim Fest der Freien Wähler: Traditione­ll werden dazu Amtsträger und Ehrengäste mit auf die Bühne gebeten. Florian Herold (rechts) und Sissy Schafferha­ns (4. von rechts) hatten in diesem Jahr fe derführend das Zepter der Organisati­on...
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 ??  ?? Die Journalist­enschar ist eingeladen, über die Bordellbes­ichtigung der Stadträte zu berichten, davor singt sich Anita Kerner, gespielt von Kerstin Egerer (Mitte) noch den Frust von der Seele: „Der Stadtrat war für mich die Hölle – Hölle – Hölle“und das...
Die Journalist­enschar ist eingeladen, über die Bordellbes­ichtigung der Stadträte zu berichten, davor singt sich Anita Kerner, gespielt von Kerstin Egerer (Mitte) noch den Frust von der Seele: „Der Stadtrat war für mich die Hölle – Hölle – Hölle“und das...
 ??  ?? Der Stammtisch – gespielt von Wolfgang Köhler (links), Diana Straßburg und Waldemar Foh – trifft sich bei einem kurzen Zwischensp­iel in der „Blauen Traube“und nimmt dabei so manchen Politiker aufs Korn. Sissy Schafferha­ns brilliert mit spitzer Zunge...
Der Stammtisch – gespielt von Wolfgang Köhler (links), Diana Straßburg und Waldemar Foh – trifft sich bei einem kurzen Zwischensp­iel in der „Blauen Traube“und nimmt dabei so manchen Politiker aufs Korn. Sissy Schafferha­ns brilliert mit spitzer Zunge...
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Zirkusdomp­teur Sepp Egerer möchte in seiner Fastenpred­igt Stadtrat Max Ru cker zum Sprechen bringen.

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