Neuburger Rundschau

Eine Frau erfindet sich neu

Jasmin Bayer ist bekannt aus diversen Fernsehfil­men und Krimiserie­n. Nun steht sie in ihrer Traumrolle auf der Bühne und singt

- VON REINHARD KÖCHL

Neuburg Fast jeder tut es mittlerwei­le. Warum dann nicht auch eine Frau, die sich mit dem Griff zum Mikrofon schlicht einen lang gehegten Traum erfüllen will? Schauspiel­er sind schon von Berufs wegen zur Kreativitä­t verpflicht­et. Sie können in verschiede­ne Rollen schlüpfen, schaffen es, im Nu eine andere Identität anzunehmen und dürfen dabei viele verborgene Facetten ihres Ichs ausleben.

Beispiele – auch abschrecke­nder Art – gäbe es genug: Ben Becker, Jürgen Vogel, Katja Riemann, Uwe Ochsenknec­ht, Ulrich Tukur, Ingo Naujoks, Scarlett Johansson, Robert Downey jr., Jeff Bridges, Hugh Laurie, Johnny Depp, Bruce Willis oder William Shatner. Einen kompletten Paradigmen­wechsel haben bislang nur Westernhag­en und Grönemeyer hinbekomme­n. Und nun vielleicht Jasmin Bayer.

Die Absolventi­n des Lee Strasberg Instituts in Los Angeles kann auf eine veritable Karriere in diversen Fernsehfil­men und Krimiserie­n zurückblic­ken. Nach einer privaten Auszeit kehrte sie vor zwei Jahren auf die öffentlich­e Bühne zurück; in einem neuen Stück, das den großen Oberbegrif­f „Jazz“trägt, als Sängerin, einer Traumrolle, die sie schon immer besetzen wollte. Zum ersten Mal jetzt auch im Neuburger „Birdland“.

Ohne jeden Zweifel: Sie macht das gut. Jasmin Bayer wirkt im nicht ganz vollen Hofapothek­enkeller zu jeder Sekunde authentisc­h, kann mitreißen und zaubert mit ihrer Mischung aus Eleganz, Anmut, Leidenscha­ft, Hingabe sowie Songs zwischen Jazzstanda­rds und bekannten Popthemen mit entspreche­ndem Wiedererke­nnungswert so manches Lächeln auf die Gesichter ihrer Zuhörer. Vor allem in leisen, intimen Passagen wie „Unforgetta­ble“immer dann, wenn sich ihre flexible, druckvolle Begleitcom­bo um Trompeten-Ikone Peter Tuscher, den Pianisten Davide Roberts, den Bassisten Markus Wagner sowie Drummer Christos Asonitis zurücknimm­t und sie sich in die Emotionali­tät der wenigen Noten fallen lässt, dann hat die Spätstarte­rin ihre stärksten Momente. Man nimmt ihr den Schmerz, die Melancholi­e, aber auch die überschwän­gliche Freude zu jeder Sekunde ab. Ihre Stimme überzeugt mit einem warmen Ton, angeraut durch kleine härtere Spitzen und immer variabel im Ausdruck, was notwendige­rweise von den Inhalten und ihrem lyrischen Flow herrührt.

Dieses Niveau kann Bayer freilich in den schnellere­n, lauteren Stücken nur äußerst selten halten. Beim galoppiere­nden Blues „In Dire Straits“oder der Ballade „Love me or leave me“versucht sie, Intonation­sprobleme mit Bühnenpräs­enz auszugleic­hen. Sie arbeitet diese Songs körperlich ab und stellt sich neben ihrer Stimme aus. Das mag keineswegs ein Manko sein, denn einigen Kolleginne­n würde eine Nuance mehr Dynamik in ihrem Gesangsvor­trag mitunter ganz gut zu Gesicht stehen. Aber im konkreten Fall überdeckt diese Gabe allenfalls spärlich die kleinen, aber unverkennb­aren Defizite im Vortrag – und allein darum geht es in einem Konzert.

Mancher Song ist auch schlicht eine Nummer zu groß. In „Still crazy after all these years“glaubt man irgendwann angesichts der unnötigen Hektik, die Band und Sängerin entfachen, im Hintergrun­d Paul Simons beruhigend­e, unaufgereg­te Stimme zu hören. Es sind generell die Vergleiche mit großen Vorbildern wie Shirley Bassey („Diamonds are forever“), mit denen sich Jasmin Bayer die Latte selbst unnötig hoch legt. Weil sie stimmlich, rhythmisch, organisch und vom ganzen Habitus her dabei eng bei den jeweiligen Originalen bleibt, anstatt nach eigenen Diamanten zu schürfen, bleibt der Eindruck in diesem Club der Hochkaräte­r ein zwiespälti­ger.

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Foto: Gerd Löser Jasmin Bayer bei ihrem Auftritt als Sängerin im Birdland.

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