Das Leben – eine immergleiche Illusion
Theatergruppe Mimenfeld spielt „Fünf im gleichen Kleid“des amerikanischen Erfolgsautors Alan Ball. Dichte Dialoge und viel Bewegung auf der Bühne zeichnen ein facettenreiches Bild von Liebe und Freundschaft
Neuburg Kleider machen Leute – diese Erkenntnis hat wohl zur Erfindung der Mode geführt. Doch was passiert mit den Leuten, wenn man sie in Uniformen steckt? Die Gleichmacherei macht die Individuen umso mehr erkennbar. Der amerikanische Erfolgsautor Alan Ball steckt seine Darstellerinnen in seinem Theaterstück „Fünf im gleichen Kleid“also in gleiche Kleider und erreicht so, dass nichts Optisches den Zuschauer ablenkt von den Personen, die sie tragen. Das gleiche Kleid ist auch Symbol für die gleiche Geschichte, die alle – mehr oder weniger ähnlich – erlebt haben. Es geht um Liebe und um die damit verbundenen Illusionen und Enttäuschungen.
Die Neuburger Theatergruppe „Mimenfeld“hat für die fünf Brautjungfern frühlingsfrisches Grün gewählt – vielleicht ein Zugeständnis an den Regisseur Andreas Grün – es ist jedenfalls die dominierende Farbe auf der ansonsten schlicht gestalteten Bühne. Ein geräumiges Bett steht im Mittelpunkt, daneben eine Schminkkommode, viele Spiegel hängen an der schwarzen Rückwand. Meredith, die Schwester der Braut, wohnt in diesem Zimmer, das zum Rückzugsort der Brautjungfern wird, denn keine von ihnen fühlt sich bei dieser Hochzeit in der ihr zugedachten Rolle wohl. Anfangs wird noch an der Bar getanzt zu den Rhythmen der Hochzeitsband, dann ziehen sich die Fünf immer mehr in das Zimmer zurück. Sie kennen sich kaum, doch im Laufe der Gespräche kommen die Gemeinsamkeiten ans Licht. Alle haben den gleichen Kerl angehimmelt, alle wurden enttäuscht. Die frustrierte Georgeanne (Diana Strassburg) ist unglücklich verheiratet, die Christin Frances (Patrizia Flierl) verbietet sich jedes Vergnügen, und die resolute Mindy (Andrea Seibold) ist Lesbe und der Ruf sowieso ruiniert. Trisha (Ariane Huber-Tadayon), die „amtierende Königin des schlechten Rufs“, hat es aufgegeben, ihre Liebhaber zu zählen. Sie sammelt Erfahrungen und fühlt nichts mehr, Enttäuschungen geht sie damit vorbeugend aus dem Weg. Meredith, die zornige Schwester der Braut (mit viel Temperament gespielt von Ulrike Bock), lässt einen Joint kreisen und reißt sich den grünen Fetzen vom Leib: „Es ist alles so verlogen und ätzend, dass ich kotzen könnte“, schreit sie in die Runde. Der Frust der Brautjungfern ist vielschichtig, die Gespräche gehen immer mehr in die Tiefe, auf dem großen Bett wechseln Personen wie Abgründe. Man kommt sich näher und tröstet sich mit Musik: „Love don’t come easy“singen in wunderbarer Harmonie Diana Strassburg und Ariane Huber-Tadayon und später den AbbaSong „Chiquitita“, um Meredith aufzuheitern. Die Verwandlung scheint zu gelingen. Die Extreme gehen aufeinander zu. Mindy lässt sich von Trisha spaßeshalber zu einer „Highway-Nutte“umfrisieren und Frances zu einer „Frau mit Vergangenheit“. Trisha jedoch erlebt unerwartet ein Happy End.
Der Truppe um Regisseur Andreas Grün ist es gelungen, rund um das zentrale Bett nie Langeweile aufkommen zu lassen. Die dichten Dialoge sind durch viel Bewegung ergänzt. Die fünf Schauspielerinnen agieren dabei mit natürlicher Lockerheit, jede auf ihre Weise: als Drama-Queen, Lästermaul oder Unschuldslamm. Die Live-Band (Sänger Wolfgang Köhler) unterbricht behutsam mit alten Popnummern die Handlung und verschafft dem Publikum Denkpausen und Gelegenheit zum Mitsummen. Es geht um Liebe, Sex und den Wert von Freundschaften – und all die mehr oder weniger zweifelhaften Vergnügungen, die damit verbunden sind. Das ist ernsthafte bis amüsante Unterhaltung, die anzuschauen man sich gönnen sollte. Weitere Aufführungen sind kommenden Donnerstag, Freitag und Samstag, jeweils ab 20 Uhr im Rödenhof.