Die Bahn vernachlässigt die Provinz
Ein endgültiges Urteil zu dem Zugunglück von Aichach verbietet sich zu diesem frühen Zeitpunkt von selbst. So wie es aussieht, könnte der Fahrdienstleiter einen folgenschweren Fehler begangen haben. Richter werden das klären. Eines ist aber sicher: Er arbeitete mit einer vor fast 70 Jahren eingebauten rein mechanischen Technik ohne jegliche elektronische Absicherung, vollkommen angewiesen auf eigene Aufmerksamkeit und das, was er per Augenschein überblicken kann. Die Anforderung ist also besonders groß, die Verantwortung natürlich ebenso.
Die Ausstattung in Aichach steht im krassen Gegensatz zu dem, was die Bahn heute schon kann. Auf der neuen ICE-Strecke Nürnberg–Erfurt rasen Züge mit mehr als 200 Stundenkilometern vollkommen ohne Signale, nur noch von Computern gesteuert. Hier wurde entsprechend viel Geld investiert. Eingleisige Nebenstrecken wie die zwischen Augsburg und Ingolstadt sind im Vergleich dazu echte Stiefkinder. Aichach ist kein Einzelfall. Jeder sechste Streckenkilometer des Bahnnetzes wird noch von Fahrdienstleitern mechanisch geregelt.
Schwere Zugunglücke haben im Nachhinein immer wieder auch zu entscheidenden Verbesserungen der Sicherheitstechnik geführt. Jetzt müsste endlich dafür gesorgt werden, dass durch eine entsprechende elektronische Kontrolle der Weichenstellungen netzweit verhindert wird, dass ein Zug auf ein bereits besetztes Gleis gelenkt wird. Mit der Technik aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts funktioniert das natürlich nicht.