Weniger Einbrüche, weniger Gewalttaten
Kaum im Amt, kann der neue Innenminister Horst Seehofer einen deutlichen Rückgang der Straftaten verkünden. Dennoch ist das Gefühl der Menschen weitverbreitet, Deutschland sei unsicherer geworden
Berlin Nein, sagt Horst Seehofer, er habe nichts zurückzunehmen. Dass er vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, als bayerischer Ministerpräsident von einem „Kontrollverlust“und einer „Herrschaft des Unrechts“gesprochen habe, bedauere er nicht, im Gegenteil. „Dass wir in der Bundesrepublik Deutschland einen temporären Kontrollverlust hatten, kann niemand bestreiten.“Mit „unehrlichen Analysen“könne die Politik niemanden überzeugen. Und auch auf die Frage, ob es in Deutschland rechtsfreie Räume gebe, antwortet der neue Innenminister ohne zu zögern kurz und bündig „Ja“, um nachzuschieben: „Dort wird nicht getan, was notwendig wäre.“
Kontrollverlust? Rechtsfreie Räume? Das klingt nach Versagen des Staates und seiner Sicherheitsbehörden. Dabei sitzt der CSUChef, der seit bald zwei Monaten für die innere Sicherheit in der Bundesrepublik zuständig ist, am Dienstag zusammen mit seinem Amtskollegen aus Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU), dem Chef der Innenministerkonferenz, auf dem Podium der Bundespressekonferenz, um das genaue Gegenteil zu verkünden: Deutschland sei im vergangenen Jahr sicherer geworden. „Die Zahl der in Deutschland verübten Straftaten ist mit etwa 5,76 Millionen Fällen die niedrigste seit 1992“, sagt er bei der Vorlage der Polizeilichen Kriminalstatistik. Dies sei ein Rückgang um 9,6 Prozent. Gleichzeitig stieg die Aufklärungsquote auf 55,7 Prozent, der höchste Stand seit 2005. Auch bei Straftaten, die von Ausländern begangen wurde, habe es einen deutlichen Rückgang gegeben, so Seehofer.
Besonders wichtig für den neuen Innenminister ist, dass es bei der Diebstahlkriminalität, die in den vergangenen zwei Jahren auf Höchststände geklettert war, einen Rückgang um insgesamt 11,8 Prozent auf knapp 2,1 Millionen Fälle gab, die Wohnungseinbrüche gingen gar um 23 Prozent zurück, die Taschendiebstähle um 22,7 Prozent. Die Gewaltkriminalität ging leicht um 2,4 Prozent auf 188 000 Fälle zurück, bei Mord, Totschlag und Tötung auf Verlangen sank die Zahl um 1,6 Prozent auf 2379 Fälle.
Erfreulich haben sich nach den Worten Seehofers die politisch motivierten Straftaten entwickelt. Zum ersten Mal seit 2012 sanken sie wieder um 4,9 Prozent auf 39500, die Zahl der Gewalttaten ging gar um 12,9 Prozent auf 3754 zurück – und das trotz der schweren Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg. Rechtsextremisten begingen mehr als die Hälfte aller Straftaten (20500), Linksextremisten rund 9700, Islamisten etwa 1100. Die Zahl der Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte ging von 995 auf 312 zurück.
„Deutschland ist sicherer geworden, gleichwohl gibt es zur Entwarnung keinen Anlass“, sagte Seehofer. Es bleibe noch viel zu tun. Die Sicherheitslage sei angespannt, ein Anschlag könne sich jederzeit ereignen. „Absolute Sicherheit kann niemand versprechen.“In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass sich nach einer Umfrage 44 Prozent der Deutschen weniger sicher fühlen als noch vor einigen Jahren. Die Politik sei weiterhin gefordert, „mit adäquaten Maßnahmen“zu reagieren, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen zu verbessern, unter anderem mit einer stärkeren Präsenz der Polizei in der Fläche, einer Ausweitung der Videoüberwachung oder einer besseren Beleuchtung von Straßen und Unterführungen sowie einem sauberen Straßenbild. „Das ist für mich noch wichtiger als Paragrafen.“