Am Ende heulen wieder alle
Dass der Tränenfluss auch über dieses Bundesliga-Finale hereinbrechen würde, war klar. Der Abstiegskampf ist der bitterste aller Lebenskämpfe. Das weiß jeder, der schon einmal weinend an einem Stadionzaun gehangen hat.
Was langjährige Beobachter des heulenden Fußball-Elends irritiert: Inzwischen mischen sich unter Abstiegs- auch Abschiedstränen. In Rostock haben Hansa-Fans zusammen mit dem Urgestein Tommy Grupe geheult, der nach 19 Jahren den Klub verlässt. Beim FC Arsenal haben sie Per Mertesacker zu dessen Abschied beweint, und natürlich hat der Weltmeister mitgeheult.
Die beiden Tränenflüsse aus Abschied und Abstieg vereinen sich zu Monsterwellen der Rührung, die das Fußball-Land zum Saisonende hin unter sich begraben. Selbst an so unverdächtigen Orten wie Augsburg, wo der FCA unbelastet dem Saisonende entgegen kickt, hat ein bewegter Trainer Manuel Baum gerührt auf die Saison zurückgeschaut. Dabei ist noch gar nicht ganz Schluss. Bricht sich in diesen Tagen alles Bahn, was Trainer und Spieler die Saison über vor Kameras und Mikrofonen verbergen mussten? Und was wird am Ende in Hamburg oder Wolfsburg sein – den für Samstag erwarteten Epizentren erschütterter FußballerHerzen? Und was in Freiburg, wenn die Erschütterungen den Schwarzwald erfassen? Klar ist: Was das mit dem dortigen Trainer Christian Streich anstellt, einem Menschen, der alle Emotionen auf seiner Außenhaut trägt, mag sich heute kein Mensch vorstellen.
Geheult wird aber auch unterklassig. In der Regionalliga, wo Offenbachs scheidender Co-Trainer Joti Stamatopoulos sich auf dem Spielfeld in Tränen auflöste. So wird es am Samstag weitergehen. Mag die Welt überall kälter werden: Der Fußballplatz wird als Refugium der Empfindsamkeit überleben, als ein Ort, an dem mehr Männertränen fließen als sonst wo. Und komme den Gerührten und Geschüttelten keiner mit dem Hinweis, es sei doch alles nur ein Spiel. Es ist das Leben, und im Moment des Endes ist es mehr als das. Männer, die sich ihrer Tränen nicht schämen, werden Kommentatoren gerührt sekundieren.
Nur Robert Huth, der Verteidiger-Schrank von Leicester City, wird wieder lästern, „dass weinen auf dem Platz eine Sperre von drei Spielen nach sich ziehen sollte“. Aber auch für ihn, den Türsteher in Fußballschuhen, wird demnächst Schluss sein – begleitet von tausendfachem Gesang der Fans auf den Rängen. Kaum vorstellbar, dass dabei irgendein Türsteher-Auge trocken bleibt.