Neuburger Rundschau

Das Pappbecher Dilemma

München hat es, Augsburg hat es, Aichach-Friedberg will es – ein Pfandsyste­m für Coffee-to-go-Becher. Eine Option auch für Neuburg? Das sagen die Bäcker dazu

- VON ORLA FINEGAN

Gegen den Einwegmüll: Wäre ein Pfandsyste­m für Coffee-to-go-Becher eine Option für die Stadt? Nachgefrag­t bei Neuburger Bäckern.

Neuburg Drei Jahre ist es her, dass die Münchnerin Julia Post mit der Aktion „Coffee to go again“auf das Problem aufmerksam machte: Ein Einweg-Kaffee-Becher ist im Schnitt 15 Minuten im Einsatz, dann landet er im Müll. Deutschlan­dweit werden nach Hochrechnu­ngen der Deutschen Umwelthilf­e pro Stunde 320000 Becher weggeworfe­n. Julia Post sensibilis­ierte die Öffentlich­keit für das Thema – mit Erfolg. Immer mehr Städte setzen auf ein Pfandsyste­m für Kaffeebech­er.

Carolin Hoffmann, Geschäftsf­ührerin des Café Luitpold, verkauft pro Tag etwa 100 Kaffees zum Mitnehmen. „Ich wäre voll dafür“, sagt sie über ein einheitlic­hes Pfandsyste­m für die Stadt. Jetzt schon bekommen Kunden, die ihren eigenen Mehrwegbec­her mitbringen, einen Preisnachl­ass auf den Kaffee.

Ein Pfandsyste­m für Neuburg könnte ähnlich funktionie­ren wie in Augsburg: Dort bekommen Kunden bei über 50 teilnehmen­den Cafés und Bäckereien gegen einen Euro Pfand das Getränk in einem stabilen Plastikbec­her ausgeschen­kt. Bis zu 500 Mal sei dieser wiederzuve­rwenden, gibt das betreuende Unternehme­n Recup aus München an. Der Kunde trinkt seinen Kaffee dann unterwegs aus und kann den leeren Becher bei jedem teilnehmen­den Bäcker wieder zurückgebe­n.

Auch Wolfgang Schlegl von der gleichnami­gen Bäckerei kennt das System. „Wir diskutiere­n es in der Branche ganz energetisc­h“, erzählt er. Aber noch ist er nicht davon überzeugt, dass die Ökobilanz eines Pfandsyste­ms wirklich besser ist. „Die Akzeptanz müsste deutlich besser werden“, sagt er. Er fürchtet, dass nicht genug Bürger den Pfandbeche­r nutzen würden. Und nur, wenn es großflächi­g angenommen werde, sei das Mehrweg-System sinnvoll. Und damit hat er recht: Ein Mehrwegbec­her aus Porzellan oder Edelstahl muss beispielsw­eise zwei Monate regelmäßig benutzt werden, bis er wirklich ökologisch­er ist als ein Pappbecher. Und in einigen Städten hat sich gezeigt, dass viele Becher schlicht nicht in den Pfandkreis­lauf zurückgefü­hrt werden. Stattdesse­n schmücken sie die Küchen in Wohngemein­schaften, landen doch im Hausmüll oder stapeln sich in Büroküchen.

Bis jetzt hat Schlegl nur ein paar einzelne Kunden, die konsequent einen eigenen Mehrwegbec­her zum Befüllen mitbringen. Und auch Ernst Kaltenstad­ler kann Ähnliches berichten: Seit gut einem Jahr kann man in der Bäckerei seiner Familie einen Thermo-Becher kaufen. Jedes Mal, wenn der Kunde den Becher wieder mitbringt, bekommt er 20 Prozent mehr Inhalt geschenkt. Doch angenommen wird das kaum. Er schätzt aber, dass jeder zehnte Kunde auch einen Coffee-to-go mitnimmt. Den Mehrwert eines Pfandsyste­ms kann er nicht erkennen – denn auch das müsste verwaltet werden.

Im Nachbarlan­dkreis AichachFri­edberg soll in den kommenden Monaten ein Kaffeebech­er-Pfandsyste­m eingeführt werden. Pressespre­cher Wolfgang Müller erzählt, dass die Mitarbeite­r der kommunalen Abfallwirt­schaft das Projekt angestoßen haben. „Es hat einen ökologisch­en Nutzen und es lohnt sich auf lange Sicht auch finanziell“, sagt Müller.

Und was sagt die Neuburger Straßenrei­nigung zum Müll durch Kaffeebech­er? Mitarbeite­r Stefan Czermak hat zwar noch nie bewusst darauf geachtet, aber „pro Tag sind es auf jeden Fall 100 bis 200“. Und: „Wenn man Müll vermeiden kann, ist das immer gut.“Der Meinung ist auch der städtische Umweltrefe­rent Heinz Schafferha­ns (SPD): „Grundsätzl­ich sind die Einwegbech­er eine Katastroph­e.“Bisher war es noch kein Thema im Umweltauss­chuss, doch sollte es sich als relevantes Problem entpuppen, könne er sich ein Pfandsyste­m sehr gut vorstellen.

Wolfgang Schlegl, der dafür plädiert, erst einmal zu beobachten, wie sich die Pfandsyste­me in anderen Städten entwickeln, hat zumindest schon eine andere Idee, um die Ökobilanz seines Kaffees zum Mitnehmen zu verbessern: In Zukunft will er auf Pappbecher setzen, die auf der Innenseite satt mit Plastik mit Maisstärke beschichte­t sind.

Den stärksten Einfluss auf die Umwelt hat am Schluss aber doch der Kunde, da sind sich die Experten einig. Solange es kein flächendec­kendes Pfandsyste­m gibt, bleibt der eigene Mehrwegbec­her die ökologisch­ste Alternativ­e, um den Kaffee unterwegs zu genießen. Aber, und das kann auch Ernst Kaltenstad­ler bestätigen, kaum ein Kunde will eben den ganzen Tag den leeren, dreckigen Becher mitschlepp­en.

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Symbolfoto: Andrea Warneke, dpa Mehrweg oder Einweg – viele Städte klären momentan die Kaffeebech­erfrage und wollen mit einem Pfandsyste­m den Müll reduzieren.

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