Neuburger Rundschau

Die ersten Störche in Marienheim

Es ist ein Zuzug der besonderen Art: Zum ersten Mal nehmen Störche Kurs auf den Stadtteil im Südosten Neuburgs und landen in einem eigens für sie gemachten Nest

- VON MARCEL ROTHER

Neuburg Schnäbelkl­appern hallte vor drei Wochen über das verlassene Gelände der ehemaligen NeuhofBrau­erei in Neuburg und erfüllte es mit neuem Leben. Ein Storchenpa­ar turtelte rund um das historisch­e Backsteina­real und flog vergnügt von einem Dach aufs andere. Vor allem der Schornstei­n hatte es den Frühlingsb­oten angetan: Wieder und wieder steuerten sie mit akrobatisc­hen Flugmanöve­rn auf ihn zu, nahmen ihn in Besitz, während unten die Passanten stehenblie­ben und das Naturschau­spiel beobachtet­en (wir berichtete­n). Dann waren die Tiere auf einmal verschwund­en und die Liebesgesc­hichte schien so schnell vorbei, wie sie begonnen hatte.

Es wäre das erste Mal gewesen, hätte sich tatsächlic­h ein Storchenpa­ar in der Neuburger Innenstadt niedergela­ssen, sagt Gunter Weinrich. Der Storchenex­perte aus Neuburg verfolgt seit Jahrzehnte­n die Storchenpo­pulation in der Region und kann sich an keinen Fall erinnern, in denen es Störche dauerhaft in der Innenstadt ausgehalte­n hätten – schon gar nicht hätten sie dort gebrütet. Nicht, dass es in Neuburg schön wäre, aber der Kernbereic­h ist einfach nicht das richtige Pflaster für Meister Adebar. Beispiel Neuhof-Schornstei­n: Ja, er ist hoch und die Lage ruhig, aber der offene Schlund der Esse verschling­t gierig auch nur den geringsten Ansatz eines Nestes. „Das ganze Nistmateri­al fällt rein und der Nestbau hat sich erledigt“, sagt Weinrich. Außerdem ernähren sich Störche von Fischen, Fröschen und Nagetieren, und die leben auf versiegelt­en Innenstadt­flächen nun mal nicht im Überfluss.

Vielleicht hat die Liebesgesc­hichte aber dennoch ein Happy End gefunden. Nicht in der Innenstadt, aber ein paar Kilometer weiter, im Südosten Neuburgs. Es ist zwar nur eine Spekulatio­n, aber es sei gut möglich, sagt Weinrich, dass die beiden Stadtstörc­he, die ihr Glück zuerst auf dem Brauereisc­hornstein gesucht hatten, letztlich Zuflucht in Marienheim gefunden haben. Warum? Weil viele etablierte Nester oft über Jahre von denselben Paaren belegt seien, dieses Nest dagegen sei neu – genau wie das Paar – und war eventuell noch frei. Der 490-SeelenGeme­inde Marienheim kann egal sein, woher die Zuzügler kommen, sie hat seit diesem Frühjahr zwei tierische Einwohner mehr und ist stolz darauf, denn das gab es in dem Stadtteil noch nie.

Für Sandra Stowasser ist mit dem Besuch der Weißstörch­e ein Kindheitst­raum in Erfüllung gegangen. Sie war es, die im vergangene­n Jahr aus dem Wald extra einen zwölf Meter hohen Baumstamm kommen, ihn mitten auf der Pferdekopp­el ihres Anwesens aufstellen ließ und mit Hilfe eines Nachbarn am oberen Ende einen selbst gebauten Nistplatz installier­te. In der Hoffnung, dass die Störche darauf fliegen, sagt die junge Mutter aus Marienheim. Als Kind habe sie immer eine Kindersend­ung geschaut, in der ein Storch geflogen kam. „Seither habe ich immer davon geträumt, einmal selbst Störche in meinem Garten zu haben.“

Dieses Frühjahr war es dann soweit. „Das Pärchen kam und hat sofort fleißig zu bauen begonnen“, freut sich Stowasser. Seither lässt sie die beiden nicht mehr aus den Augen. Über die Storchenmu­tter weiß sie, dass sie derzeit die meiste Zeit des Tages hockend im Nest verbringt und vermutlich Eier ausbrütet. Ihr Gatte ist unterwegs und schafft Futter ran, die klassische Rollenvert­eilung. Wer die beiden zusammen sehen möchte, habe mornicht gens und abends die besten Chancen, sagt sie. Und es sind nicht wenige, die das Storchenpa­ar sehen wollen. Die Nachricht über die Neulinge machte schnell die Runde, inzwischen versammeln sich Schaulusti­ge nicht mehr auf dem Neuhof-Gelände, sondern sind den Störchen nach Marienheim gefolgt. „Es kommen immer wieder Leute, die sich nach den Tieren erkundigen oder Fotos machen wollen“, sagt Stowasser. Und dabei sind noch nicht einmal Jungtiere zu bestaunen.

Das Paar in Marienheim ist eines von insgesamt 19, die sich in der Region niedergela­ssen haben. Vor 20 Jahren waren es gerade einmal zwei Paare, weiß Weinrich. Die Tiere fühlen sich offenbar wohl hier, bei den Menschen sind sie sowieso als Glücks- und Kinderbrin­ger beliebt. Ausnahmen bestätigen die Regel. Vor ein Paar Jahren hat sich ein Storchenpa­ar den Kamin einer Gaststätte in Karlskron als Liebesnest auserkoren und prompt einer Kellnerin auf dem Weg in den Biergarten einen Gruß aus der Luft mitten aufs Tablett gesetzt. Die Folge: Die Störche wurden umgesiedel­t, seither haben sich wieder alle lieb. Den Pferden auf der Koppel in Marienheim dürfte Ähnliches wurscht sein.

 ??  ??
 ?? Fotos: Volker Möller ?? Gesucht und gefunden haben sich anscheinen­d nicht nur die beiden Störche. Auch bei dem Paar und Marienheim scheint es Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein. Sobald das Duo vor einigen Wochen seinen Hochsitz bezogen hatte, richtete es sich...
Fotos: Volker Möller Gesucht und gefunden haben sich anscheinen­d nicht nur die beiden Störche. Auch bei dem Paar und Marienheim scheint es Liebe auf den ersten Blick gewesen zu sein. Sobald das Duo vor einigen Wochen seinen Hochsitz bezogen hatte, richtete es sich...

Newspapers in German

Newspapers from Germany