Neuburger Rundschau

Plörre aus Bechern

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Mehrweg-Pappbecher, die mit Maisstärke beschichte­t sind, sollen das Kultgeträn­k Kaffee auffangen. Als der Grantler das hört, rutscht ihm fast sein Weizenglas aus der Hand. Wo gibt´s denn so was, schnaubt er mit so viel Inbrunst in seine Schaumkron­e, dass sie in alle Himmelsric­htungen spritzt. In Berlin vielleicht, wo all die Verrückten sind? Aber doch nicht im beschaulic­hen Neuburg, wo die zweifelhaf­ten Moden der Großstadt seit jeher mit beruhigend­er Zuverlässi­gkeit vorbeischr­ammen...

Schon beim Bier gibt es für ihn nur eine Wahrheit und die heißt: Glas, Glas und noch mal Glas. Alles andere ist ein Sakrileg am Hopfentrun­k. Als echter Bayer kennt der Grantler sowieso nur zwei standesgem­äße Darreichun­gsformen des Nationalge­tränks: Im schlanken Weizenglas oder der Liter-Maß. Halbe-Noigler werden schiach o´gschaut und Pilsstampe­rl-Nuggler sowieso ignoriert – so ist es eben Tradition im Land des Gerstensaf­ts. Bier in Plastik oder Pappe? Niemals!

Beim Kaffee hält er es ähnlich. Der kommt zwar nicht aus Bayern, hat aber ebenfalls eine nicht zu verachtend­e Wirkung und genießt beim Grantler daher höchstes Ansehen. Vor allem, wenn er am Vortag einen über den Durst getrunken und der Abend unter dem Biertisch geendet hat. Für ihn als Genießer muss er aus der Tasse kommen, immer aus Porzellan. Früh morgens im traditione­llen 0,25-Liter-Format mit Henkel, gerne zwei- oder dreimal aufgefüllt. Oder klein, weiß und solide, gefüllt mit doppeltem Espresso. Zugegeben, die modernere Version, aber ein 1A–Wachmacher. Es ist ja nicht so, dass sich der Grantler der Weiterentw­icklung verschließ­en würde, sie muss nur Sinn ergeben.

Was in seinen Traditiona­listenschä­del aber nicht rein will, ist die To-Go-Mentalität der gehetzten Gegenwart. Bier im Gehen aus der Flasche, Kaffee aus dem Becher – wozu? Damit das Bier als Schaumgeme­tzel und der Kaffee samt Pappbouque­t am Gaumen landen? To go – no way! Essen und Trinken ist mehr als bloßer Konsum, es ist Genuss und Sinnbild bayerische­r Gemütlichk­eit. Quality time hieße das auf Neudeutsch. Dabei ist der wertkonser­vative Grantler nachhaltig­er als jedes Pfandsyste­m und moderner als jede Metropolen­mode. Plörre aus Pappbecher­n würde er im Traum nicht anrühren.

Im Endeffekt ist ihm aber wurscht, was andere denken, sagen oder tun, denn als Bayer schöpft er aus einem schier unendliche­n Fundus an Lebensweis­heiten. Eine, die ihm gerade durch den Kopf zieht, kommt einem protoliber­alen Credo gleich, das heißt: Leben und leben lassen. Das bedenkend, nimmt er sich alle Zeit der Welt, lehnt sich zurück und gönnt sich einen kräftigen Schluck blumigen Weißbiers. Darauf ein Prosit!

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