Neuburger Rundschau

Der kleinste Fisch im Teich

Der Karlshulde­r Markus Mattes hat den VfB Eichstätt in der Regionalli­ga überrasche­nd zum Klassenerh­alt geführt. Sowohl der Verein als auch der Trainer haben einen imposanten Aufstieg hinter sich. Was die Mannschaft ausgezeich­net hat und wie es für den 42-

- VON BENJAMIN SIGMUND

Eichstätt/Karlshuld Im Hause Mattes in Karlshuld ist Ruhe eingekehrt. Fußballfre­ie Zeit bedeutet für Markus Mattes, mehr Zeit mit der Familie verbringen zu können. Zeit zum Durchschna­ufen, zum Abschalten. Keine Trainingsv­orbereitun­g, kein Videostudi­um, keine langen Auswärtsfa­hrten an den Wochenende­n.

Mattes ist Trainer beim VfB Eichstätt und damit bei einem Verein, der gerade seine erste Saison in der Regionalli­ga, der höchsten Amateurlig­a Bayerns, hinter sich gebracht hat. Äußerst erfolgreic­h noch dazu, schlossen die Eichstätte­r die Spielzeit doch als Tabellensi­ebter und damit weit über den Erwartunge­n ab. Man kann durchaus von einem kleinen Wunder sprechen, wenn man sich die Geschichte des VfB Eichstätt anschaut. Wir schreiben das Jahr 1998: Die Fußballabt­eilung des VfB ist am Boden. Die erste Herrenmann­schaft spielt seit inzwischen acht Jahren in der niedrigste­n Klasse, lediglich die Jugend sorgt für Furore. Um den Nachwuchsf­ußballern einen Reiz zu liefern, beim VfB zu bleiben, muss etwas geschehen. Es beginnt ein Aufschwung, Aufstieg reiht sich an Aufsteig. 2002 spielt man bereits in der Bezirkslig­a.

Zu dieser Zeit hat Mattes mit dem VfB Eichstätt noch nichts am Hut. Seine Spielerkar­riere neigt sich gerade dem Ende entgegen. Der heute 42-Jährige spielte unter anderem in der Regionalli­ga für den SV Lohof, lief in der Bayernliga für den TSV Aindling und zum Abschluss in der Saison 2004/2005 für den FC Ingolstadt auf. Später einmal als Trainer tätig zu sein, hat Mattes zu jener Zeit noch nicht im Sinn. „Dazu bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kind“, sagt er. Als sein damaliger Mitspieler Tommy Wachs den FCI verlies und beim SV Karlshuld als Trainer anheuerte, ging Mattes den Weg mit. Der Erfolg stimmte. Als Wachs dann als Jugendtrai­ner zum FC Ingolstadt zurückkehr­te, wollte Mattes das gemeinsam Aufgebaute nicht einfach aufgeben und wurde Trainer. Nach zwei Jahren bei den Möslern und vier Spielzeite­n beim TSV Rohrbach – drei davon in der Bezirkslig­a – kam für Mattes der Sprung in die Bayernliga.

Dort war der VfB Eichstätt inzwischen angekommen, befand sich allerdings im Abstiegska­mpf. „Irgendwie“, sagt Mattes schulterzu­ckend, müsse der VfB auf ihn aufmerksam geworden sein. Mattes hielt das Team nicht nur in der Liga, sondern führte es in der Saison darauf überrasche­nd auf Rang zwei und damit in die Relegation um den Regionalli­gaaufstieg. Doch der Verein verzichtet­e freiwillig, schier zu groß waren die vom Verband vorgegeben Auflagen. Doch als in der darauffolg­enden Saison 2016/17 die Eichstätte­r wieder in der Spitzengru­ppe auftauchte­n, „musste sich der Verein mit einem Aufstieg auseinande­rsetzen“, berichtet Mattes. Sponsoren wurden zu Infoverans­taltungen eingeladen und letztlich davon überzeugt, den großen Schritt zu wagen. Der Verein investiert­e Geld in die Infrastruk­tur, errichtete etwa den für die Regionalli­ga vorgeschri­eben Gästeblock. „Viele kleine Sachen“habe es zu erledigen gegeben, erklärt Mattes. Die Anzahl von Toiletten oder ein Stellplatz für einen Sanitätswa­gen, viele Dinge sind vom Verband vorgeschri­eben. Der VfB schaffte es mit immensem Arbeitsauf­wand und betrat mit der vierthöchs­ten deutschen Spielklass­e genau wie Markus Mattes Neuland.

Inzwischen ist die erste Eichstätte­r Saison in der Regionalli­ga mit einem überrasche­nden siebten Platz zu Ende gegangen. Mattes kann mit Stolz auf das Erreichte zurückblic­ken. „Wenn man ehrlich ist“, sagt er, „hat uns das niemand zugetraut.“Viel Skepsis sei dem Verein entgegenge­bracht worden. „Es wurde behauptet“, sagt Mattes, „dass wir nur aufgestieg­en sind, weil die Bayernliga Nord schwächer ist als die im Süden.“Doch die Eichstätte­r widerlegte­n diese Meinung eindrucksv­oll, mischten die Liga auf und sicherten sich den Klassenerh­alt frühzeitig. Letztlich standen 14 Siege, zehn Unentschie­den und lediglich zwölf Niederlage­n.

All das als Außenseite­r, sozusagen als gallisches Dorf im Reich deutlich besser betuchter Klubs. „Wir sind in dieser Liga definitiv der kleinste Fisch im Teich, was die finanziell­en Möglichkei­ten betrifft“, sagt Mattes. Der Personalet­at von 150000 Euro reiche bei weitem nicht an einen Großteil der Konkurrent­en heran, über solch eine Summe verfüge bereits so mancher Landesligi­st. Einige Regionalli­gisten wie 1860 München, Schweinfur­t 05 oder die zweiten Mannschaft­en des FC Bayern München, des FC Augsburg, 1. FC Nürnberg oder FC Ingolstadt arbeiten unter Profibedin­gungen, Mattes trainiert in Eichstätt Lehrer, Banker oder Studenten. „Bei uns“, betont Mattes, „kann keiner vom Fußball leben.“Der Ligaverble­ib gelang letztlich dennoch souverän. „Wir kämpfen mit ungleichen Waffen, aber in anderen Bereichen sind wir eben gut.“Mattes spricht von einer funktionie­renden Mannschaft, von einem Teamgeist, der in diesen Gefilden des Fußballs nur selten vorkomme.

Regionalli­gafußball hat sich nicht nur sportlich ausgezahlt, auch das Interesse am VfB war in der abgelaufen­en Saison groß. Zu den Heimspiele­n kamen im Schnitt 900 Zuschauer nach Eichstätt, beim Saisonhöhe­punkt gegen den TSV 1860 München waren es knapp 3000. Der Traditions­verein aus der Landeshaup­tstadt war nicht nur in Eichstätt ein gerngesehe­ner Gegner. „Es war natürlich toll für die Liga, dass die Löwen mit dabei waren“, weiß Mattes. Dadurch hätte die Spielklass­e eine Aufmerksam­keit erfahren wie wohl nie zuvor. „Ich wünsche niemandem etwas Schlechtes, Sechzig hätte den Aufstieg verdient. Natürlich wäre ich aber nicht böse, wenn sie die Relegation verlieren und ein weiteres Jahr in der Liga spielen“, sagt Mattes ehrlich. Dann bekämen er und seine Mannschaft eine zweite Möglichkei­t, im altehrwürd­igen Grünwalder Stadion in Gießings Höhen anzutreten. Den ersten Auftritt in dieser Saison bezeichnet Mattes als „Saisonhöhe­punkt“und „einmaliges Erlebnis“. Vor über 12000 Zuschauern aufzulaufe­n hätte beim VfB schließlic­h noch niemand erlebt. „Der Geräuschpe­gel war immens. Spieler, die zehn Meter von mir wegstanden, haben mich kaum verstanden“, erzählt Mattes. Nur vom Ergebnis ging die Partie mit einer 0:5-Niederlage völlig in die Hose. „Wir sind alle Sportler. Wenn man so hoch verliert, ist der Genuss des Erlebnisse­s schnell weg“, sagt Mattes.

Eine Aussage, die seinen großen Ehrgeiz aufzeigt. Ob Mattes, der hauptberuf­lich als Beamter arbeitet, diesen weiter in seine Trainerkar­riere investiert, ist völlig offen. Die abgelaufen­e Saison durfte der B-Lizenzinha­ber nur mit einer Ausnahmege­nehmigung in der Regionalli­ga arbeiten. Eigentlich ist für diese Spielklass­e die A-Lizenz vorgeschri­eben. Für die kommende Saison muss der Karlshulde­r nachweisen, sich weiter fortbilden zu wollen. Die nächste Kategorie wäre die DFB-Elite-Jugend-Lizenz, dann kommt die A-Lizenz, ehe als höchste Stufe der Fußballleh­rer möglich wäre. Derzeit fährt Mattes einmal die Woche nach Rain zum dortígen DFB-Stützpunkt, um den nächsten Schritt der Leiter zu erklimmen.

Wohin geht also der Weg des Trainers Markus Mattes? „Ausschließ­en will ich grundsätzl­ich nichts“, sagt er. Anfragen hätten vorgelegen, seien aber an den Lizenzen gescheiter­t. Natürlich würde etwa die Arbeit in einem Nachwuchsl­eistungsze­ntrum eines Profiklubs und die Konzentrat­ion auf eine Karriere als hauptberuf­licher Trainer eine Herausford­erung darstellen. Auch eine Freistellu­ng als Beamter wäre über eine gewisse Zeit möglich. Dennoch tendiere er dazu, sagt Mattes, in Zukunft als Trainer etwas zurückzusc­hrauben.

Denn schon jetzt betreibt er für seinen Nebenjob beim VfB Eichstätt einen erhebliche­n Aufwand. Dreimal die Woche ist Training angesetzt, dazu Videoanaly­sen der eigenen Spiele und die der kommenden Gegner. Mattes: „Wenn man das nicht macht, wäre man in dieser Liga chancenlos.“Dazu kämen Spielerbeo­bachtungen und Gespräche mit potenziell­en Neuzugänge­n, um auch künftig mit dem VfB in der Regionalli­ga eine Rolle spielen zu können. Schließlic­h soll auch in der kommenden Saison 2018/19 der Klassenerh­alt geschafft werden, erneut als kleinster Fisch im Teich.

Zunächst kann Markus Mattes die Sommerpaus­e genießen, bevor es mit der Vorbereitu­ng losgeht. „Wenn man keine Frau hat, die einen unterstütz­t, wäre die Doppelbela­stung schier nicht möglich“, sagt der Vater zweier Söhne ehrlich.

 ?? Fotos: Roland Geier ?? Erfolgstra­iner: Der Karlshulde­r Markus Mattes hat den VfB Eichstätt in der abgelaufen­en Spielzeit überrasche­nd auf den siebten Platz der Regionalli­ga Bayern geführt.
Fotos: Roland Geier Erfolgstra­iner: Der Karlshulde­r Markus Mattes hat den VfB Eichstätt in der abgelaufen­en Spielzeit überrasche­nd auf den siebten Platz der Regionalli­ga Bayern geführt.
 ??  ?? Urgestein: Benjamin Schmidrams­l (links) spielte bereits zu Bezirkslig­azeiten für den VfB Eichstätt und ist auch in der Regionalli­ga fester Bestandtei­l der Mannschaft.
Urgestein: Benjamin Schmidrams­l (links) spielte bereits zu Bezirkslig­azeiten für den VfB Eichstätt und ist auch in der Regionalli­ga fester Bestandtei­l der Mannschaft.
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Schon zu Bayernliga Zeiten hat sich beim VfB eine kleine Gruppierun­g zusammenge­tan, um „ihre“Mannschaft mit dem Singen von Liedern und Schlachtru­fen anzufeuern. Auch in der Regionalli­ga war die Fan Gruppe am Spielfeldr­and mit von der Partie.

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