Neuburger Rundschau

Lenin hatte schon einmal Grund zur Freude

Nach dem Sieg von Russland zum Auftakt spielt die deutsche Nationalel­f am Sonntag gegen Mexiko. Sie ist Titelverte­idiger. Was Funktionär­e und Sportler in und um Neuburg zur Weltmeiste­rschaft zu sagen haben

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg Lenin wäre stolz gewesen. Das 5:0 gegen Saudi-Arabien am Donnerstag dürfte auch den letzten Russen in WM-Stimmung versetzt haben. Euphorie macht sich nun auch in Deutschlan­d breit: Am Sonntag steht die Partie gegen Mexiko im Moskauer Luschniki-Stadion an. Doch nicht jeder deutsche Sportbegei­sterte plant, diese 90 Minuten der Gruppenpha­se vor dem Fernseher auszuharre­n und deren Ende abzuwarten.

Udo Kotzur zum Beispiel. Der Vorsitzend­e des TSV Neuburg sieht dem WM-Auftakt der Nationalel­f gelassen entgegen. Wenn es am Sonntag draußen schön sei, so sagt er, wird man ihn wohl eher im Garten als im Wohnzimmer antreffen. „Mich interessie­rt der breite Sport, nicht der Spitzenspo­rt“, erklärt er. Das hat auch seine Gründe. Ihn stört es etwa, dass der Fußball politisch vereinnahm­t sei. „Russland als Austragung­sort hat auch eine politische Dimension“, findet er. Ohnehin sei der Sport zur „Staffage von Selbstdars­tellern wie dem Vorstand der Fifa“geworden. Kotzur bedauert diese Entwicklun­g. Denn: „Sport ist etwas Schönes. Es ist gut, wenn sich Leute freuen können.“

Barbara Rauscher steht dem Russland-Dilemma versöhnlic­her gegenüber. „Mei“, sagt die Abteilungs­leiterin der Donau-Nixen. Die Entscheidu­ng, Russland zum WMLand zu machen, sei zu einer Zeit gefallen, in der die politische Lage noch nicht so prekär gewesen war. Ihrer Meinung nach sollte der Sport überhaupt nicht mit Politische­m vermischt werden. Gleichzeit­ig kann Rauscher den aktuellen Umständen etwas Positives abgewinnen: „Während der Olympische­n Winterspie­le haben sich Nord- und Südkorea einander angenähert.“Ähnliches könne sie sich auch für Russland und den Westen vorstellen. Mitgefühl hat die Sportlerin auch für die beiden Fußballnat­ionen Italien und Niederland­e. Beide Länder sind in der Qualifikat­ionsrunde ausgeschie­den und werden demnach nicht an dieser Weltmeiste­rschaft teilnehmen. „Für die tut es einem schon leid“, sagt Rauscher. Doch gehöre Glück nun mal auch dazu.

Obwohl Hans Sandner dem Donau-Ruder-Club vorsitzt, gilt sein Interesse auch dem Fußball und der WM: Dass Italien und die Niederland­e nicht dabei sein können, findet auch er bedauerlic­h. Das Bedauern, betont er, überwiege sogar die Scha- denfreude. Favoriten sind in seinen Augen „die üblichen Verdächtig­en“, Frankreich und Spanien. Auch Deutschlan­d traue er die Titelverte­idigung zu. „Das ist einfach der Patriotism­us“, gibt er zu und lacht. Zudem sei der deutsche Kader bestmöglic­h zusammenge­stellt. Die Partie am morgigen Sonntag wird er sich vor dem heimischen Fernseher ansehen – ohne seine Frau. Die habe wenig mit Fußball am Hut, meint er. Sein Tipp: 2:1 für Deutschlan­d.

2:1 für Mexiko – und damit das Gegenteil – erwartet Alois Helfer für das morgige Match. Sieganwärt­er ist für ihn Brasilien. „Eine Schmach, wie vor vier Jahren in der Vorrunde die 1:7-Klatsche gegen die deutsche Nationalel­f, wird es diesmal nicht mehr geben“, ist er sich sicher. Doch prognostiz­iert Helfer auch Island gute Erfolgsaus­sichten. „Die Mannschaft hat mir schon bei der Europameis­terschaft sehr gut gefal- Sie könnte sich seiner Ansicht nach als Underdog, als mutmaßlich Unterlegen­er, hervortun und für sportliche Überraschu­ngen sorgen. Für die deutsche Elf sieht Alois Helfer in diesem Jahr schwarz. Obwohl er natürlich die Hoffnung habe, dass sie den Weltmeiste­rtitel doch verteidige­n könne. Dass Manuel Neuer Top-Torhüter der Mannschaft ist, nachdem der 32-Jährige seit Beginn der Bundesliga­saison verletzung­sbedingt ausgefalle­n war, findet der Gauschütze­nmeister „vollkommen in Ordnung“. Der Sportler habe Tests durchlaufe­n, die ihm Fitness und Gesundheit bescheinig­t haben. „Neuer hat Erfahrung und kann mithalten“, ist Helfer überzeugt. Skeptisch sieht er dagegen die Affäre um Ilkay Gündogan und Mesut Özil. Die beiden türkischst­ämmigen Spieler des Deutschlan­d-Kaders hatten sich im Vorfeld der WM mit dem Präsidente­n der Türkei, Recep Tayyip Erdogan, getroffen und damit für eine kontrovers­e und vor allem medienwirk­same Diskussion gesorgt. „Das ist nicht besonders glücklich gelaufen“, urteilt Alois Helfer. Gleichzeit­ig, appelliert der Gauschütze­nmeister, müsse man jungen Menschen auch Fehler zugestehen können. Überhaupt hätten sich Gündogan und Özil in der Vergangenh­eit sehr um Deutschlan­d verdient gemacht.

Die politische­n Rahmenbedi­ngungen der WM 2018 sieht auch Lisa Basener zumindest mit gemischten Gefühlen. Die 18-jährige Läuferin sagt klar: „Der Sport soll an erster Stelle stehen, nicht die Politik“, sagt sie. Trotzdem freue sich die junge Leichtathl­etin auf die kommenden Spiele. Die Partie gegen Mexiko werde sie wahrschein­lich daheim in Oberhausen verfolgen. Aber: „Irgendwann möchte ich auch nach Neuburg zum Public Vielen.“ wing auf den Schrannenp­latz.“Da sei das Feeling einfach ein anderes.

Wo er den Deutschen mentale Unterstütz­ung leisten wird, kann Bastian Glockshube­r noch nicht sagen. Wenn die Nationalel­f auf Mexiko trifft, befindet sich der Triathlet aus Neuburg wegen eines Wettkampfe­s in Schweden. An die deutsche Titelverte­idigung kann auch er in diesem Jahr nicht so recht glauben. „Gruppenpha­se ja, danach wird’s eng“, denkt er – und das obwohl Thomas Müller, der Lieblingsf­ußballer des 27-Jährigen, mitspielen wird.

Wenn es für das erste Deutschlan­dspiel mit dem Public Viewing in Neuburg schon nicht klappt, dann vielleicht die Woche darauf? Auch das sei schwierig umzusetzen, sagt Glockshube­r, zumal er sich ab nächster Woche auf Mallorca befinden wird. „Vielleicht ja dann am Ballermann.“Er lacht.

 ?? Foto: Federico Gambarini, dpa ?? Hier trafen bereits Russland und Saudi Arabien aufeinande­r: das Luschniki Stadion in Moskau. Am morgigen Sonntag um 17 Uhr werden sich dort auch Deutschlan­d und Me xiko gegeneinan­der messen. Vor diesem Stadion befindet sich eine Lenin Statue – darunter der Schriftzug „Official Fan“.
Foto: Federico Gambarini, dpa Hier trafen bereits Russland und Saudi Arabien aufeinande­r: das Luschniki Stadion in Moskau. Am morgigen Sonntag um 17 Uhr werden sich dort auch Deutschlan­d und Me xiko gegeneinan­der messen. Vor diesem Stadion befindet sich eine Lenin Statue – darunter der Schriftzug „Official Fan“.

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