Führt die EU Internet Filter ein?
Plattformen veröffentlichen Inhalte, die sie gar nicht erzeugt haben. Trotzdem verdienen sie damit Geld. Das soll sich ändern. Aber der Lösungsweg ist höchst umstritten
Brüssel Für viele Internet-Nutzer ist es ein alltäglicher Vorgang: Zunächst ein Blick auf die Nachrichtenübersicht eines Online-Anbieters, wie Google News, werfen, von dort klickt man sich weiter zu dem Beitrag, der interessiert. Doch das könnte sich ändern – je nachdem, wie sich die Mehrheit des Rechtsausschusses im Europäischen Parlament am heutigen Mittwoch und zwei Wochen später die Mehrheit des Abgeordnetenhauses entscheiden. Auf dem Tisch liegt ein zentraler Teil des neuen digitalen Urheberrechtes, das Leistungsschutzrecht. Wichtigster Vorschlag: Künstler, Autoren und Verlage sollen davor bewahrt werden, dass Fremde ihre Bilder, Videos, Musik und Texte kostenfrei übernehmen.
Der Streit darum tobte bis zuletzt heftig. Schließlich ist längst noch nicht klar, ab wann ein schützenswerter Inhalt vorliegt. Einige befürchten, dass schon ein Link, der die Schlagzeile des hinterlegten Artikels enthält, als Leistung gelten könnte, für die jeder zahlen soll, der den Hinweis weitergibt. Die Einnahmen sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission an die privaten Verlage gehen. Axel Voss (CDU), Europa-Abgeordneter und Berichterstatter des Parlamentes für das Thema, gibt sich unaufgeregt: „Links sind nicht betroffen.“Sie würden noch keine schöpferische Leistung beinhalten. Das beruhigt Kritiker wie die Piratin Julia Reda, die in der Grünen-Europafraktion sitzt, keineswegs. Sie befürchtet: „Schon ein oder zwei erste Sätze aus einem Artikel könnten künftig unter das Leistungsschutzrecht fallen.“
Die möglichen Folgen einer derart konsequenten Regelung treibt die Internet-Gemeinde um. Denn die EU-Institutionen schlagen die Einführung eines Upload-Filters vor, der alle hochgeladenen Dateien filzt und urheberrechtlich relevante Fotos, Videos, Musikstücke oder Texte nicht zulässt. Erfahrungen damit hat Googles Video-Portal Youtube. Es nutzt ein solches System. Reda sieht dann nicht nur große Suchmaschinen wie Google, sondern auch Facebook, Wikipedia und sogar Dating-Apps betroffen. Voss schließt dies wiederum aus.
Die Unklarheit wird längst zur Unsicherheit, aus der die Gegner eine Gefahr ableiten: Aus Angst vor Urheberrechtsverstößen könne es zu vorauseilendem Gehorsam, also übermäßigem Blockieren von kritischen Inhalten, kommen. Das Leistungsschutzrecht als Zensur der Online-Medien-Landschaft? Voss weist das zurück, pocht aber darauf: „Plattformen, die urheberrechtlich geschütztes Material vertreiben, machen extreme weltweite Geschäfte. Die müssen etwas abgeben.“
Das sieht auch Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der
und Sprecher einer Initiative von Chefredakteurinnen und Chefredakteuren aus Deutschland, so: „Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Finanzierung der Arbeit der Redaktionen zunehmend infrage steht, weil kommerzielle Unternehmen Schlagzeilen, Textausschnitte oder ganze Artikel übernehmen, ohne hierfür zu zahlen.“
Noch ist unklar, ob sich die Gegner, die in den vergangenen Wochen alle Europa-Abgeordneten angeschrieben haben, um sie zur Abwehr von Upload-Filtern zu bewegen, durchsetzen. Im Kreis der Mitgliedstaaten hält sich der Widerstand in Grenzen. Neben Deutschland wollen fünf weitere Mitgliedstaaten die aktuelle Form des Leistungsschutzrechts ablehnen.