Neuburger Rundschau

Der Teufel kommt zu Dritt

Nach zwölf Jahren Pause kehrt der Jedermann auf die Freilichtb­ühne am Karlsplatz zurück. Das Volkstheat­er will ein Mysteriens­piel nach Hofmannsth­al mit mehr Aktualität­sbezug. Wie das gelingen soll

- VON ELISA MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg Drei Frauen geistern über den Karlsplatz. Sie sind ausnahmslo­s schön – und genauso so vulgär. Sie geben sich reizvoll und durchtrieb­en, sind durch und durch diabolisch. Mit all ihrer Anziehungs­kraft – mit dem, was sie sagen und dem, was sie tun – versuchen die Teufelinne­n, den Mann in ihrer Mitte auf die dunkle Seite zu ziehen. In etwa so beginnt eine der letzten Szenen des „Jedermann auf Bayrisch“, den das Neuburger Volkstheat­er mit einer neuen Inszenieru­ng auf eine zeitgemäße Bühne heben möchte. Am morgigen Donnerstag hat das Stück Premiere.

Der Jedermann oder auch „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“hat in Neuburg eine verhältnis­mäßig lange Tradition. Zum ersten Mal brachte ein Ensemble die bayerische Fassung von Oskar Weber im Jahr 1988 vor ein Publikum, zum letzten Mal 2006. Jetzt, zwölf Jahre später, gibt es eine Neuauflage des Mysteriens­piels von Hugo von Hofmannsth­al. Vieles, und das sei verraten, weicht vom Original ab. Verantwort­lich ist dafür in erster Linie der Gründer und Leiter der Altmühltal­bühne Florian Schmidt, den das Volkstheat­er im vergangene­n Jahr engagieren konnte. Für seine Version hat der Autor und Regisseur der Hauptfigur mehr Tiefe verliehen: „Bei mir ist der Jedermann ein ganzer Mensch“, sagt der Eichstätte­r mit Nachdruck. „Er hat schlechte, aber auch gute Züge.“Darüber hinaus treten Rollen in Erscheinun­g, die das hofmannsth­al’sche Original nicht vorgesehen hat. Inspiriert von einem biblischen Vers im ersten Korintherb­rief existieren anstatt nur einer gleich drei Allegorien: Glaube, Liebe, Hoffnung stehen als Gott gegebene Kardinaltu­genden einem Dreierpack an Sünden und Teufelinne­n gegenüber.

Im Grunde genommen, sagt Schmidt, handle es sich um ein Theaterstü­ck, das ohne viel Handlung auskommen muss. „Wir zögern den Tod eines Menschen über zwei Stunden hinaus“, erklärt er. Bemerkbar mache sich das vor allem im zweiten Teil der Inszenieru­ng, die die Todesfanta­sien des Jedermann widerspieg­eln. „Die Allegorien werden immer verrückter. Der Jedermann nähert sich dem Tod.“Im Gegensatz zu Sepp Reichart, der als langjährig­es Ensemblemi­tglied den Protagonis­ten verkörpert, ge- hört Sebastian Englschall alias der Tod zu den jüngsten Schauspiel­ern im Team. Mit Sense und Kapuze mime er einen klassische­n, aber bedrohlich­en Todesbring­er, sagt der 20-Jährige. Im Gegensatz zu seinen Schauspiel­kollegen spricht Englschall seinen Text allerdings nicht im Dialekt. Die fehlende bayerische Phonetik grenze ihn bewusst als Unsympath ab, glaubt er.

Vom Sensenmann geholt muss sich der allzu weltliche Genussmens­ch vor dem Jüngsten Gericht verantwort­en. Die Sünden des Jedermann werden mit den guten Werken aufgewogen. Und auch hier setzt Florian Schmidt an: „Wichtig ist in diesem Zusammenha­ng nicht die Frage nach gut und böse, sondern nach richtig und falsch.“Ein semantisch­er Unterschie­d, der in den Augen des Autors ein subtiles moralische­s Grundgerüs­t für den Jedermann liefert. Gleicherma­ßen, sagt Schmidt, würden aktuelle Themen angesproch­en: „Die Dummheit setzt den Hass ins Recht, sie macht das Fremde bös’ und schlecht“, zitiert er eine Figur – und nimmt damit Bezug auf die Ignoranz von Persönlich­keiten des absoluten und medialen Zeitgesche­hens.

An sieben Terminen inszeniert das Neuburger Volkstheat­er den „Jedermann auf Bayrisch“auf der Freilichtb­ühne. Insgesamt bieten die Vorführung­en Platz für 7200 Besucher. Von der Tribüne und dem Ticketvorv­erkauf ausgenomme­n sind übrigens fünf Plätze, die von Geäst verdeckt werden, das von der Amalienstr­aße hineinragt.

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Fotos: Elisa Glöckner Im Arm der Dunkelheit: Sepp Reichart alias „der bayerische Jedermann“muss gegen drei verführeri­sche Teufelinne­n (hier im Bild: Carina Mayr) ankämpfen, um in den Himmel zu kommen. Ob es ihm gelingt?
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Während der Vorstellun­gszeiten sind Durchfahrt sowie Parken in der Amalienstr­aße stellenwei­se verboten.
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Der arme Nachbar (Günther Seidel, Vordergrun­d) bittet den Je dermann um Unterstütz­ung. Er bekommt sie nicht.

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