Sense bei Schuh Sens
Nach 90 Jahren schließt das Traditions-Schuhgeschäft in der Neuburger Innenstadt. Doch die Räume werden nicht lange leer bleiben – Inhaberin Ursula Braun hat schon einen Nachmieter gefunden
Neuburg Seit ihrem 16. Lebensjahr steht Ursula Braun in dem Schuhgeschäft in der Neuburger Weinstraße gegenüber der Schrannenhalle, im Jahr 1992 hatte sie es von ihrem Vater übernommen. Ende Juli ist nun Schluss. Dann schließt Schuh Sens für immer seine Pforten. Und das nach 90 erfolgreichen Jahren.
Ihr Großvater, Anton Sens, hatte 1928 als gelernter Schuster eine Schuhhandlung mit Schusterei eröffnet. Damals war das Geschäft noch in der Franziskanerstraße. 1936 zog Sens mit seinem Schuhgeschäft und der Werkstatt in die Spitalstraße um. 1963 übernahm Brauns Vater, Helmut Sens, den Laden und die Werkstatt. Auch er hatte Schuster gelernt und danach im Vertrieb eines Schuhherstellers gearbeitet. „Den Laden hatte er auf Wunsch seines Vaters übernommen“, erinnert sich Ursula Braun. Groß gefragt, ob auch sie Schuhverkäuferin werden wollte, wurde sie nicht. Bereits 1975 war das neue Gebäude in der Weinstraße bezogen worden und irgendwie war klar, dass die nächste Generation weitermachen würde.
Aber die Zeiten haben sich geändert. Ende Juli ist Schluss mit Schuh Sens. Die drei Mitarbeiterinnen haben bereits zum 1. August andere Beschäftigungsverhältnisse gefunden. Ursula Braun kann und will nicht mehr – sie fühlt sich ausgelaugt. Das Geschäft lief eigentlich gut. Sie konnte sich auf ihre Stammkundschaft verlassen. Und das trotz großer Ketten und trotz des Internets als Konkurrenz. „Wir hatten viele Kunden, die das persönliche Gespräch und die Beratung und Bedienung noch wertschätzten.“Dass diese Faktoren für die jüngere Generation nicht mehr so wichtig sind, hat aber auch Braun erkennen müssen. Ganz im Gegenteil: Die junge Generation suche gar keinen Kontakt mehr zum Verkaufspersonal. Wolle oft nur ungestört schauen und probieren, so Braun.
Brauns Kinder wollten das Geschäft nicht fortführen. Also fragte sie bei den großen Filialisten an. Denn eines wollte sie nicht: dass ihr Ladengeschäft leer steht. „Dann hätte ich weitergemacht.“Für die Filialisten aber war das Geschäft mit rund 120 Quadratmetern Verkaufsfläche zu klein. Braun fand in der eigenen Branche keinen Nachfolger für ihren Laden. Dann aber fragte das Blumenhandwerk an, das nur zwei Häuser weiter, ebenfalls in der Weinstraße, ein Blumengeschäft betreibt, das inzwischen zu klein geworden ist.
Ursula Braun hatte ursprünglich nicht an Blumen gedacht, ist nun aber froh, einen Nachmieter für die Immobilie zu haben. Vergangene Woche hat sie mit dem Abverkauf der noch vorhandenen Ware begonnen, auf die Schuhe gibt es zwischen 30 und 70 Prozent Nachlass.
Braun ist mit Schuhen aufgewachsen. „Mit meinen beiden Schwestern habe ich als Kind im Laden ’Schuhe verkaufen‘ gespielt.“Ihr Großvater hatte die Ware noch von Hand maßgefertigt. Und auch ihr Vater hat das Handwerk gelernt und eine Schuhreparaturwerkstatt betrieben. Das loh- ne sich heute gar nicht mehr. Früher wurden Schuhe grundsätzlich repariert. Heute wandern sie in den Müll.
Auch wenn sie ihren Laden aufgibt, Schuhe sind Ursula Braun wichtig. „Den zweiten Schuhladen habe ich bei mir zuhause“, sagt die Neuburgerin und lacht. Gutes Schuhwerk sei eben wichtig. In jungen Jahren würden viele aber keinen großen Wert auf Bequemlichkeit legen. Das käme erst mit fortgeschrittenem Alter. Jetzt muss Ursula Braun viele ihrer Stammkunden trösten. „Für die tut es mir leid. Aber ich muss jetzt auch mal an mich denken.“Sie freut sich auf mehr Zeit mit ihren beiden Enkeln und mit ihrem Ehemann. So lange der noch Feuerwehrkommandant in Neuburg war, war auch er an den Samstagen weg von zu Hause. Nun wollen die beiden endlich die gemeinsame Zeit genießen.
In der Innenstadt verschwindet ein weiteres inhabergeführtes Ladengeschäft, das eine große Lücke in der Geschäftsinfrastruktur der Innenstadt hinterlässt. Denn nun gibt es in der Stadt selbst nur noch Damenschuhe zu kaufen. Mit Schuh Sens schließt das letzte Vollsortiment-Schuhhaus.