Er lässt es dampfen, kochen und explodieren
Rolf Anton Krüger ist Hollywoods Mann am Bodensee: Der Komponist und Produzent macht Musik für Trailer. Wie er zu dem Job kam, von dem nicht einmal viele Kinoliebhaber je etwas gehört haben
Ein altes Gebäude im beschaulichen Bodenseedorf Markelfingen. Ein Seiteneingang führt ins Kellergewölbe. Dann öffnet sich eine Tür – und man ist in Hollywood.
Denn hier, in diesem Tonstudio, komponiert und produziert Rolf Anton Krüger die Musik zu Kinotrailern – eine Tätigkeit, von deren Existenz selbst viele passionierte Kinobesucher keine Ahnung haben. In die Produktion der ein bis zwei Minuten kurzen Vorschauen wird viel Zeit und Geld investiert, schließlich können sie den Erfolg eines Films maßgeblich beeinflussen. Mindestens so wichtig wie die Optik eines Trailers ist seine musikalische Untermalung, denn sie weckt Emotionen. Die Trailer-Musik stammt dabei nicht etwa aus dem Film, sondern wird eigens komponiert.
Hollywoods Mann am Bodensee bringt die womöglich beste Qualifikation für diesen Job mit: Krüger hat viele Jahre lang Musik für Werbespots geschrieben. Auch bei diesen ist Musik ganz entscheidend – und ein Kinotrailer ist schließlich Werbung mit anderen Mitteln. Trotzdem ist es natürlich ein Unterschied, ob Krüger Werbespotmusik für Maggi oder Dr. Best komponiert, wie er das bereits getan hat, oder Trailer-Musik für Kinofilme wie „Paddington“(2014) oder „The Current War“(2017).
Der 54-jährige Krüger hat nie Noten lesen gelernt und auch keine musikalische Ausbildung absolviert. Er könne aber alles spielen, was Tasten habe, sagt er. In jungen Jahren ist er auf den Schiffen der Bodensee-Ausflugsflotte als Alleinunterhalter aufgetreten, hat in eigenen New-Wave-, Jazz- und FunkBands gespielt. Später gehörte er zum Team des Schweizer Musikers Phil Carmen („On My Way In L.A.“) und arrangierte auch zwei Songs für das Nena-Album „Wunder geschehen“. Den Impuls für sei- ne heutige Tätigkeit verdankt er seinem langjährigen Nebenjob als Moderator des Konstanzer Privatsenders Zwischen 1992 und Anfang 2017 moderierte er für den Sender, an dem die rt1.media group – ein Unternehmen, das zur Mediengruppe Pressedruck (Augsburger Allgemeine, Main-Post, Südkurier, Allgäuer Zeitung) gehört – kürzlich eine Mehrheit erwarb.
Radio- und TV-Sender unterlegen Moderationen oder Shows gerne mit Hintergrundmusik aus sogenannten Libraries, das sind Klangbüchereien. Dabei ging Krüger ein Gedanke durch den Kopf, der den Beginn vieler Karrieren markiert: „Das kann ich auch, aber besser.“Er gründete also ein eigenes Studio in einem ehemaligen Partykeller und schrieb Hintergrundmusik für deutsche und internationale Fernseh-Produktionen, von „Wetten, dass..?“und „Verstehen Sie Spaß?“über „The Tonight Show“und „Saturday Night Live“bis hin zu Serien wie „Friends“oder „Sex and the City“. Auch für Werbespots komponierte er.
2012 ergab sich dann ein Kontakt zur amerikanischen Firma X-Ray Dog, die sich auf die Produktion von Musik für Kinotrailer spezialisiert hat. Die Tätigkeit ist lukrativ, als Honorar locken im besten Fall niedrige fünfstellige Summen – nicht schlecht für ein Stück von ein bis zwei Minuten Länge. Der Haken: Geld gibt es nur, wenn die Musik tatsächlich genommen wird.
Anders als ein Autor kann Krüger kein Exposé erstellen, er muss gleich ein fertiges Produkt abliefern. Für den „Paddington“-Trailer, eine seiner ersten Arbeiten, hat er zwei Monate gebraucht. Mittlerweile liegt er bei vier Wochen, und „die internationale Konkurrenz ist unerbittlich“, sagt er. Die Herausforderung bestehe darin, alle Register zu ziehen und große Kinomusik zu gestalten. „Trailer müssen fast immer bombastisch sein.“Vor zehn Jahren hätte Krüger diesen Job nicht machen können, die Technik wäre nicht zu bezahlen gewesen. Heute sind die Computer leistungsfähiger, außerdem gibt es größere Klangbibliotheken. Dennoch müssen sich seine Hightech-Investitionen ja amortisieren. Für Musikstücke, die bis in eine Endauswahl gekommen sind – darunter Titel für „Inferno“, „Der Marsianer“, „X-Men: Apocalypse“–, kann er sich zwar nichts kaufen. Aber er kann sie nochmals verwenden.
Krügers Vorbilder sind Filmkomponisten wie Thomas Newman, John Powell, James Horner, Joe Kraemer oder Michael Giacchino. Im Unterschied zu ihnen muss er jedoch ins Blaue hinein komponieren: Er bekommt nicht etwa einen fertigen Trailer und denkt sich Musik dazu aus, sondern schreibt eine Musik, auf die der Trailer geschnitten wird. Worum es in dem Film geht, das weiß er immerhin. Und er weiß in etwa, was gewünscht wird.
So habe er seine Trailer-Musik für „Paddington“an den klassischen „Abenteuerkino-Sound“angelehnt: klassisches Orchester in großer Besetzung. „In diesem Fall optimistisch, feierlich, angefüllt mit stürmisch euphorischen Melodien und großem symphonischen Finale. Das passt perfekt zu den Abenteuern des kleinen Bären in England“, sagt Krüger. Bei „The Current War“, einem aufwendigen Film über den Elektronik-Pionier Thomas Edison, waren die Voraussetzungen anders. Hier hat Krüger die Komposition so weit wie möglich auf Streichinstrumente plus Perkussion reduziert. „So eine Klangstruktur passt besser zu einer historischen Geschichte“, erzählt er. Bei Actionfilm-Trailern lässt er es dagegen krachen: „Da muss es dampfen, kochen, explodieren!“
Die unvermeidlichen Fehlschläge kann sich Krüger nur leisten, weil unter seinem Namen bei der Gema, der Verwertungsgesellschaft für Musik, rund 700 Library-Stücke verzeichnet sind. Sobald eines verwendet wird, erhält er Tantiemen.
Bei aller Befriedigung, die ihm seine Arbeit bereitet, wurmt es ihn aber doch ein bisschen, dass er als Schöpfer nie identifiziert werden kann. Im Gegensatz zum Film wird beim Trailer nicht erwähnt, wer die Musik komponiert hat – auch deshalb hat er beim Videoportal Youtube und beim Online-Musikdienst Soundcloud Portale unter dem Namen „Rolf Anton Krueger“eingerichtet. Sein meistgeklicktes Stück auf seiner Youtube-Seite stammt aus der „Eric Andre Show“des gleichnamigen US-Komikers. Es kommt auf fast 35 000 Abrufe.
„Trailer müssen fast immer bombastisch sein.“Rolf Anton Krüger