Der Vater, der Mörder?
Bei einer Pressekonferenz liefert die Polizei neue Erkenntnisse zum Familiendrama in Gunzenhausen. Der Staatsanwalt sieht keine Zweifel an der Schuld des Mannes
Gunzenhausen Er hatte wohl schon eine Weile lang im Treppenhaus im fünften Stock ausgeharrt. Von dort muss er einen guten Blick auf die unteren Stockwerke gehabt haben, insbesondere auf das dritte. Gegen 5.30 Uhr nahm er sein Handy, gab Bescheid, dass er nun an der Straße vor dem Mehrfamilienhaus stehen würde. Kurze Zeit später verließ ein anderer Mann mit einem Kleidersack in der Hand die Wohnung im dritten Stock und ging nach draußen. Das war der Moment, auf den der Täter gewartet hatte. Er schlich sich in den dritten Stock, zog seine Schuhe vor der Wohnung seiner Ehefrau aus, brach die Türe auf, zog ein Messer und überraschte seine Familie im Schlaf. So schilderte Kriminaloberrat Hermann Lennert das Familiendrama in Gunzenhausen gestern Vormittag bei einer Pressekonferenz in Ansbach. Genauere Details wollte er den anwesenden Journalisten ersparen. Doch was waren die Hintergründe der Tat, bei der die Mutter und ihre drei Kinder umgebracht wurden? Darüber lieferte Lennert neue Erkenntnisse.
Bereits am vergangenen Donnerstag kam es in dem Mehrfamilienhaus in der Bismarckstraße in Gunzenhausen zu einem Zwischen- fall. Nachdem der Familienvater seine beiden Söhne geohrfeigt haben soll, schickte die 29-jährige Ehefrau ihrer Schwester in München eine WhatsApp-Nachricht mit Bildern der geschundenen Wangen ihrer Kinder. Die verständigte daraufhin die Polizei in Gunzenhausen. Als die Beamten eintrafen, sollen sie eine relativ ruhige Situation vorgefunden haben.
Die roten Backen seien jedoch erkennbar gewesen, schilderte Lennert auf der Pressekonferenz. Die Ehefrau soll bereits an diesem Abend beabsichtigt haben, sich von ihrem Mann trennen zu wollen. Gegen den 31-Jährigen wurde indes ein Kontakt- und Näherungsverbot zu seiner Familie ausgesprochen, außerdem wurde ihm der Schlüssel für die gemeinsame Wohnung abgenommen. Bei den Gesprächen mit den Beamten soll er sich auch kooperativ gezeigt haben, sagte Lennert auf der Pressekonferenz.
Dieser Gewaltausbruch gegen seine Familie war offensichtlich kein Einzelfall. Schon vor fünf Jahren lag gegen den 31-jährigen Familienvater ein Strafbefehl wegen Bedrohung seiner Söhne vor. Damals soll er gedroht haben, sie umbringen zu wollen, teilte Lennert auf der Pressekonferenz mit. Die Nachfrage, ob den Beamten, die dem 31-Jährigen den Kontakt zu seiner Frau untersagten, die Vorgeschichte bekannt war, konnte der Kriminaloberrat gestern Vormittag nicht eindeutig beantworten.
Nach dem Vorfall am Donnerstag kam die Ehefrau mit ihren Kindern zunächst bei einer Schwester in Ansbach unter. Am vergangenen Sonntag entschied sie sich dann, zurück in die Wohnung in dem Mehrfamilienhaus in Gunzenhausen zu ziehen. Doch es dauerte nicht lange, bis der Ehemann gegen das Näherungsverbot verstieß.
Am gleichen Abend soll sie den 31-Jährigen wartend vor dem Haus gesehen haben. Schutzsuchend rief sie ihren Bruder an, der dann auch in ihrer Wohnung übernachtete. Die Polizei verständigte die Ehefrau an diesem Abend nicht – sondern erst am nächsten Tag. Am Montag stellte sie Strafantrag gegen ihren Mann. Lennert schildert bei der Pressekonferenz ihre Aussage: Ihr Mann habe sie und ihre Kinder in der Vergangenheit schon öfter verprügelt.
Dann kommt der Kriminaloberrat auf den Montagabend vor der Tat und die Zeugenaussage des Bruders der ermordeten 29-Jährigen zu sprechen. Demnach soll sich der mutmaßliche Täter gemeldet haben – mit dem Vorwand, er brauche noch Kleidung aus der Wohnung. Der Bruder und der Ehemann vereinbarten einen Treffpunkt für Dienstag, 5.30 Uhr, an der Straße des Mehrfamilienhauses. Um diese Uhrzeit erhielt der Bruder dann den Anruf des Ehemanns und begab sich mit einem Sack voller Kleider nach unten auf die Straße und wartete. Um Zeit zu vertreiben, zündete er sich noch eine Zigarette an. Dann soll ein lauter Knall aus der Wohnung gekommen sein.
Der Bruder spurtete das Mehrfamilienhaus hoch in den dritten Stock, öffnete die Türe und sah den 31-jährigen Ehemann seiner Schwester am Ende des Flurs – er sei da gestanden, blutverschmiert mit einem Küchenmesser in der Hand. Dann soll der Ehemann in das Zimmer mit dem Balkon gerannt und in die Tiefe gesprungen sein. Polizisten fanden ihn schwer verletzt im Garten vor dem Haus – neben ihm das 16 Zentimeter große Messer.
Der Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger sprach auf der Pressekonferenz von einem „absoluten Vernichtungswillen“bei dem 31-Jährigen. Außerdem habe er „keine vernünftigen Zweifel“an der Täterschaft des Ehemanns. Gegen ihn wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft Ansbach ein Haftbefehl gestellt.