Warum denn noch Kino?
Seit einigen Jahren hat sich zum klassischen auch noch ein zeitgenössischer Fundamentalzweifel gesellt. Immer schon konnte man ja miesepetern: Kino ist eigentlich nur das Vorgaukeln des Ausgehens – man verlässt zwar das Haus, womöglich auch in Begleitung, aber doch auch nur, um sich hinzusetzen und einen Film anzuschauen, also im Grunde doch nichts anderes als das vermeintlich verpönte Glotzen auf der heimischen Couch. Und neulich dazu nun die Szene, in der ein Paar mittleren Alters in den halb leeren Kinosaal trat und er vorwurfsvoll mit erhobener Stimme zu ihr: „Ha! Wahnsinn! Und dazu noch Überlängen-Zuschlag! Für das, was ich hier bezahle, kann ich ein Vierteljahr bei Netflix oder Amazon Prime schauen, was und so viel ich will! Und dazu noch mit Beamer!“Sie – entgegnete nichts, seufzte nur…
Und tatsächlich: Was soll man – derart klassisch oder zeitgenössisch angezweifelt – auch zu erklären versuchen? Dass man mit den gleichen Argumenten ja auch immer nur den heimischen Baggersee aufsuchen kann und nie ans Meer zu reisen braucht? Dass es, so gesehen, auch keinen Grund mehr geben könnte, in Restaurants zu gehen?
Seit auch zu Hause Kisten flimmern, kann jedenfalls gelten: Ins Kino zu gehen ist eine wunderbar irrationale Entscheidung, eine Entscheidung für magische Rituale und das Sinnliche – wie wunderlich! Und seit der digitalisierten und gebeamten Abo-Allzeitverfügbarkeit gilt noch dazu: Ins Kino gehen ist ein Bekenntnis gegen die Verramschung und für das bewusste, aufwendige Zelebrieren in immer enger getakteten Zeiten – wie luxuriös!
Wer also nicht nur ins Kino geht, um ein Alibi für einen CouchAbend mit oder ohne Beisitzer zu haben – was für ein wunderlicher Mensch mit einem Hang zum sinnlichen Luxus ist der. Und noch komischer: Der Film-Theater-Typus existiert in Millionen Exemplaren! Noch im 21. Jahrhundert. Verrückt.
Kino aktuell