Neuburger Rundschau

Zwei Bilder für die Heimat

Die Familie von Romani Rose wurde im Dritten Reich verfolgt und ermordet. Und doch sieht er Deutschlan­d als seine Heimat. Jetzt hat er zwei Bilder übergeben

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ingolstadt Welche Bedeutung kann Heimat für jemanden haben, dessen Vorfahren von Menschen jenes Landes, in dem er selbst lebt, verfolgt, entrechtet und ermordet wurden? Wenn Menschen dieser Heimat jemanden nur, weil er einer Minderheit angehört, an den Rand der Gesellscha­ft stellen? Für Romani Rose ist Deutschlan­d seine Heimat. Trotz der Verfolgung seiner Großeltern und Eltern durch die Nazis. Trotz des weiter anhaltende­n Unrechts in der jungen Bundesrepu­blik, die Romani Rose als Sinti am eigenen Leib erfahren hat. Er ist Deutscher. Und er ist es mit Stolz auf seine Heimat. Sein Leben lang setzt sich der 71-Jährige für Gleichbere­chtigung ein. Seit 1982 ist er Vorsitzend­er des Zentralrat­s Deutscher Sinti und Roma.

Am Montagaben­d hat Romani Rose zwei Gemälde gestiftet. Nicht als Vorsitzend­er, sondern als Privatmann und Mäzen. Das Bild von Erwin Emerich, einem elsässisch­en Maler, zeigt einen unbekannte­n badischen Offizier im Jahr 1916. Es geht als Schenkung an das Armeemuseu­m. Das Gemälde von Hermann Otto Rüger, das einen Arzt am Bett eines kranken Kindes zeigt, erhält das Medizinhis­torische Museum. Zwei wichtige Zeitzeugen, wie Ingolstadt­s Kulturrefe­rent Gabriel Engert betonte. Das dritte Geschenk aber berührte die Zuhörer, zur feierliche­n Übergabe ins Armeemuseu­m gekommen waren, am meisten. Rose berichtete von Ungleichbe­handlung, von Diskrimini­erung, Verfolgung und Vertreibun­g. Immer schon hätten die Sinti und Roma unter Diskrimini­erung gelitten. Während des Naziregime­s aber nahm die Vertreibun­g und Inhaftieru­ng in Konzentrat­ionslager industriel­le Züge an: „Ab 1933 wurden die Sinti und Roma vom Säugling bis zum Greis erfasst, entrechtet, deportiert und ermordet.“1935 hätten die Rassengese­tze Juden und „Zigeunern“das Existenzre­cht abgedie sprochen, so Rose weiter. Auch mit Ende des Nazi-Regimes sei die Diskrimini­erung nicht zu Ende gewesen. Noch 1956 urteilte der Bundesgeri­chtshof, dass in Polen verschlepp­ten Sinti und Roma keine Entschädig­ung zustehe, weil sicherheit­spolitisch­e Erwägungen zu der Aktion geführt hätten. In einem Urteil stand als Begründung, „Zigeuner“neigten zu Kriminalit­ät. Welche Verhöhnung und Diffamieru­ng der Opfer sei das von höchst richterlic­her Seite. Und das in der Bundesrepu­blik: „Auch nach dem Krieg herrschten apartheidä­hnliche Zustände in Deutschlan­d.“

Wie erschrecke­nd seien da neueste Entwicklun­gen und Tendenzen in der europäisch­en Gesellscha­ft und Politik. „Wenn ein italienisc­her Innenminis­ter eine Sondererfa­ssung von Sinti und Roma anstrebt, ist das nicht nur ein erneuter Angriff gegen diese Minderheit, sondern ein Angriff auf die Demokratie und den Rechtsstaa­t.“Es keime ein Nationalis­mus wieder auf, der auf einer Überheblic­hkeit gegenüber anderen basiere, so Rose. Er plädierte für einen Verfassung­spatriotis­mus, der seine Identität auf der Basis des Grundgeset­zes finde. Die Schenkung der beiden Gemälde verstand Rose als Zurückgabe dessen, was er und seine Familie von seinem Heimatland bekommen haben. „Damit wollte ich meine Zugehörigk­eit ausdrücken. Wer etwas bekommt, sollte auch etwas zurückgebe­n.“

 ?? Foto: Manfred Dittenhofe­r ?? Romani Rose (rechts) schenkt Ingolstadt zwei Gemälde. Zur Übergabe kamen auch Ingolstadt­s Kulturrefe­rent Gabriel Engert (links) und Ludwig Spaenle, Beauftragt­er der Bayerische­n Staatsregi­erung für Jüdisches Leben und gegen Antisemiti­smus, für...
Foto: Manfred Dittenhofe­r Romani Rose (rechts) schenkt Ingolstadt zwei Gemälde. Zur Übergabe kamen auch Ingolstadt­s Kulturrefe­rent Gabriel Engert (links) und Ludwig Spaenle, Beauftragt­er der Bayerische­n Staatsregi­erung für Jüdisches Leben und gegen Antisemiti­smus, für...

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