450 000 Senioren von Armut bedroht
Vor allem Frauen reicht in Bayern oft nicht das Geld für ein auskömmliches Leben. Welche Faktoren die Lage erschweren und wie vorgesorgt werden kann
Augsburg Es sind vor allem Frauen, die im Alter arm sind. Frauen, die lange Zeit gar nicht oder nur in Teilzeit gearbeitet haben, und Frauen, die in schlecht bezahlten Berufen tätig waren, erklärt Ulrike Mascher. Die Vorsitzende des Sozialverbands VdK Bayern macht sich daher trotz der geplanten Rentenreform Sorgen um die Alterssicherung von Frauen. Eine Bestätigung erhält sie nun von der SPD: 450 000 Menschen über 65 sind armutsgefährdet, melden die bayerischen Sozialdemokraten. Dies ergibt eine Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage der SPDLandtagsfraktion – die Zahlen sind aus dem Jahr 2016.
Aus der Antwort geht auch hervor, dass Frauen stärker als Männer von Altersarmut bedroht sind. Und die Armutsgefährdungsquote der Senioren ist demnach zwischen 2006 und 2016 insgesamt um 3,5 Prozentpunkte gestiegen. Aber das Risiko ist nicht überall in Bayern gleich: Während die Armutsgefährdungsquote der über 65-Jährigen in Un- terfranken bei 20,7 Prozent liegt und damit am höchsten ist, liegt sie in Schwaben bei 18,5 und in Oberbayern bei 12,9 Prozent. Die Zahlen zur Armutsgefährdung orientierten sich am bundesweiten Mittelwert des sogenannten Nettoäquivalenzeinkommens. Als armutsgefährdet gilt demnach, wer weniger als 60 Prozent dieses Medianeinkommens hat. Für Personen über 65 Jahren liege es aktuell bei etwa 1400 Euro, die Armutsgefährdungsschwelle folglich bei 840 Euro.
Als „gefährliche Wendepunkte“, die Frauen oft in die Altersarmut führen, bezeichnet VdK-Landesvorsitzende Mascher den Tod des Partners oder eine schwere Erkrankung. Sie gibt auch zu bedenken, dass viele Medikamente, etwa bei Erkältungen, nicht verschreibungspflichtig und für viele arme Senioren daher zu teuer sind. Auch könnten alleinlebende Seniorinnen, wenn der Partner gestorben ist, oft nicht mehr die Miete bezahlen, sie finden aber auch keine kleinere, bezahlbare Wohnung. Daher fordert der Sozialverband nicht nur entschieden mehr bezahlbare, sondern vor allem auch altersgerechte Wohnungen.
SPD-Sozialpolitikerin Doris Rauscher erklärt: „Wohnen wird im Freistaat mehr und mehr zur Armutsfalle. Es kann nicht sein, dass Menschen, die teilweise seit Jahrzehnten in einer Wohnung gelebt haben, dort ,herausrenoviert‘ werden und ihre Heimat verlassen müssen, weil sie sich ihre Miete nicht mehr leisten können.“Sie fordert schnelles Handeln „und beispielsweise die Sozialbindung von gefördertem Wohnraum zu verlängern“. Ein Antrag, der darüber hinaus den Zugang zu Kultur-, Freizeit- und Gesundheitsangeboten für Senioren sicherstellen sollte und eine entsprechende staatliche Förderung vorsah, sei von der CSU abgelehnt worden.
Allerdings sehen nicht alle das Problem Altersarmut als so brisant an. Der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen ist der Meinung: „Es gibt keine Altersgruppe in Deutschland, die so wenig von Armut bedroht ist, wie die Rentner.“Er spricht von Panikmache und Populismus. Viel wichtiger sei es, die Armut von Kindern zu bekämpfen. Bayerns VdK-Vorsitzende Mascher kennt diese Einwände. Doch sie hält es für falsch, ausgerechnet die zwei Personengruppen gegeneinander auszuspielen, die beide aus eigener Kraft nicht aus der Armutsfalle herauskommen. „Es ist verheerend, wenn Kinder in Armut aufwachsen müssen“, betont sie. Und arme Kinder drohen ebenso wie Senioren von der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen zu sein. „Das ist als Kind ebenso bitter wie als alter Mensch.“
Und wie bewertet Mascher die Rentenreform der Großen Koalition? Bekämpft sie die Altersarmut etwa mit der Grundrente? „Entscheidend ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um Grundrente zu erhalten“, sagt Mascher. „Denn sicher ist auch: Über 30 Rentenversicherungsjahre erreichen Frauen häufig nicht.“Und wie kann frau vorsorgen? Mittel- und langfristig nur, indem jede Frau so wenig Pausen wie möglich in ihrer Erwerbsbiografie macht, sagt Mascher.